Schlafende Hühner, wache Küken„Pfarrers Kinder, Müllers Vieh: geraten selten oder nie!“, oder wie der Pionier der Antipädagogik Ekkehard von Braunmühl in seinem Buch Zeit für Kinder: Theorie und Praxis von Kinderfeindlichkeit, Kinderfreundlichkeit, Kinderschutz schrieb:

„Es ist kein Geheimnis, dass gerade Fachleute die verkorksteten Kinder haben.“

Es wäre falsch von uns, Wasser zu predigen: Wir haben natürlich selbst ab und zu Phasen, in denen wir nicht jeder unbequemen Situation mit unseren Kindern voller Elan, Herzlichkeit und kreativen Ideen begegnen. Es gibt Tage, an denen es bei uns Großen funktioniert, an denen wir weder drängeln und antreiben, noch belehren und unterweisen. Jedoch sind uns auch Szenen nicht fremd, in denen wir uns der ewigen Feindschaft zwischen den Generationen verschrieben scheinen. Nun erfährst Du, wann es bei uns drunter und drüber ging und wie wir uns zurück an die kinderfreundliche Front der Antipädagogik kämpften.

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Unterwegs und unter Menschen

Sind wir mit den Kindern unterwegs, ist eigentlich immer alles paletti. Dass unsere Mädchen eben mal mit selbst zusammengestellten Schuhpaaren, verschmierten Mündern und eigenhändig geschminkten Äuglein hinausgehen, kommt uns überhaupt nicht merkwürdig vor. Die Menschen, die sich dazu äußern, finden es in der Regel sogar süß. All die, bei denen wir in ihrem verbitterten Gesicht für einen kurzen Augenblick hochgezogene Augenbrauen erkennen, nehmen wir eigentlich gar nicht mehr wahr.

Wenn unsere Kinder im Bioladen statt einer im Allgemeinen höflich geltenden Begrüßung nur lautes Quietschen und ein: „Ich will, ich will…!“, begleitet von elefantenartigem Getrampel, von sich geben, wird die Milch im Einkaufswagen von Herrn Schulze deshalb weder sauer, noch kocht das Gemüse in Frau Meiers Einkaufstasche über. Unsere Kinder dürfen auch unter fremden Menschen so sein, wie sie sind, ohne dass jemand in Erklärungsnot gerät.

Bei erziehenden Kommentaren anderer gegenüber unseren Kindern kann man im Gespräch auch immer etwas „zurecht rücken“. So erklären wir der Omi eben, dass unsere große Tochter zwei schöne Hände hat, wenn zur Verabschiedung die eine, schöne (rechte) Hand verlangt wird. Unterwegs unerzogen zu sein, ist für uns bisher also noch nicht großartig schwierig gewesen.

Zuhause, wenn es Abend wird

So ganz ohne Zuschauer zu Hause sah es hin- und wieder ganz anders aus. Dass Kinder wenig Ordnung halten können, dass Essen nicht schmeckt, die Klamotten schmutzig werden, Geschirr zu Bruch geht oder bei wichtigen Telefonaten prinzipiell Krach und Geschrei gemacht wird, scheint allen erziehenden wie auch nichterziehenden Familien nicht fremd zu sein. Deshalb stören wir uns an solchen Dingen nicht, weil wir es als Kinder selbst nicht anders gemacht haben.

Schwierig wurde es für uns Eltern jedoch am Abend, als wir unseren Kindern, entgegen unserer Überzeugung von der Antipädagogik, das Ziel setzten, doch endlich schlafen zu wollen. Wir schauen nicht nach von uns vorgelegten Zubettgehzeiten, sondern richten uns jeden Tag nach Müdigkeitsanzeichen unserer Kinder (und manchmal auch unserer eigenen).

Als unser zweites Baby in unser Familienbett einzog, baten wir unser plötzlich so großes zweijähriges Kind ständig, leise zu sein. Klappte das nicht und das eben in den Schlaf gewogene Babymädchen wachte nach wenigen Minuten wieder auf, blieben Vorwürfe nicht aus.

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Als das Baby an seinem Geschwisterchen Freude entwickelte, entdeckten die beiden ein lustiges Spiel namens „Sichgegenseitigwachhalten“. In guter Verfassung nimmt man so ein Treiben sicher freudig auf. Wir wollten schließlich deshalb mehrere Kinder, damit lustig und fidel miteinander gespielt werden kann. Wenn wir einen anstrengenden Tag hinter uns hatten, sollte das heitere Kichern wegen seiner ansteckenden Wirkung zum Nachtantritt, wenn es nach uns ginge, der Stille weichen. Unserer Großen gegenüber rutschte uns deshalb sogar schon ein Drohen, Schimpfen und Anschreien heraus. Ehekrach blieb dabei selten aus, weil wir uns abwechselnd vorwarfen, der andere würde die Kinder erziehen.

Unsere Lösung

Nun, da unsere Kleine das Laufalter erreicht hat, kann es, wie ihr euch sicher denken könnt, abends noch viel lebhafter zugehen. Was die Zubettgehzeit anbelangt, hoffen wir, die Kurve endgültig gekriegt zu haben: Nach einem in Tränen endenden Abend entschieden wir uns, abends fortan nicht mehr zu schimpfen. Klar sagen wir noch: „Mama und Papa sind so müde. Wenn es leise werden könnte, könnten wir jetzt einschlafen…“, aber letztendlich raffen wir uns auf, um noch eine Runde zu spielen, ein Extra-Brot zu schmieren, den Purzelbaum zu bewundern oder die geringelten Strümpfe gegen die karierten zu tauschen.

Ein Jahr mit zwei Kindern lehrte uns, dass die Kinder irgendwann schon zur Ruhe kommen werden. Daher versuchen wir aus jeder Abendzeit mit unseren Kindern das Beste zu machen. Wird ein Kind wach, versuchen wir uns bewusst zu machen, dass wir es nie wieder so klein in unseren Armen halten werden oder dass wir die kleine, zarte Wange in wenigen Jahren nicht mehr in unser Gesicht gedrückt bekommen. Die Erfahrung zeigte, dass unsere Kinder durch Ausschimpfen und Anschreien jedenfalls nicht schneller einschliefen. Zum Glück! Denn würde dies funktionieren, wäre das ein ziemlich blöder Tagesausklang.

Nach jedem Streit ist es für uns wichtig, unsere erzieherischen Fehltritte zuzugeben und uns bei unseren Kindern zu entschuldigen (siehe auch unseren Beitrag „Das Geschenk, durch das Dir Deine Kinder verzeihen“)

Wenn zwei sich streiten

Ein anderer Konfliktpunkt, der besonders schnell an alle Grenzen der Antipädagogik führt, ist unser Einmischen in Geschwisterstreitigkeiten. Wahrscheinlich haben wir schon fast alle Ursachen und Lösungsmöglichkeiten durchgespielt. Doch selbst hier zeigte uns die Erfahrung, dass Erziehung nicht weiterhilft. Manchmal hilft sanftes Vermitteln und manchmal die vorgestreckte „Stopp“-Geste, die bereits unsere Einjährige anwenden kann. Letztendlich wollen wir akzeptieren, dass eben weder bei (Ehe-)Partnern noch bei Geschwistern immer alles Friede, Freude, Eierkuchen sein muss.

Antipädagogik und emotionale Reife

Obwohl wir von der Wichtigkeit einer unterstützenden Beziehungsform gegenüber unseren Liebsten überzeugt sind, fragen wir uns, was uns dazu treibt, in die alten Erziehungsmühlen hineinzugeraten. Eine Antwort auf diese Frage könnte man bei Lloyd deMause, Autor des Buches „Hört ihr die Kinder weinen“ finden:

„Was den Eltern (…) fehlte, war nicht Liebe, sondern eher die emotionale Reife, die nötig ist, um das Kind als eigenständige Person anzuerkennen.“

In diesem Sinne: Arbeiten wir an unserer emotionalen Reife! ;-)

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