Liebe Eltern von Freilernern und solchen, die es werden wollen,
in etlichen Grundschulen werden „schwache Schüler“ gern neben „starke Schüler“ gesetzt. Man mag sich an Bezeichnungen wie diese gewöhnen und sie als normal empfinden. Ich finde sie doof. Ja, ich finde sie sogar übergriffig.
Durch das ungestörte und nicht vorgegebene Lernen von Kindern haben nonkonformistische Eltern einen anderen Blick auf Kinder. Anders gesagt: Die Einteilung in gut und schlecht, in lieb und böse, in intelligent und weniger schlau lehnen sie ab.
Natürlich erhoffen sich die Kreidestaubpädagogen viel von der Theorie ihrer Sitzpläne: Der Starke soll den Schwachen unterstützen. Wer als leistungsschwaches Kind neben einem Streber sitzt, sei zudem motivierter, sich anzustrengen. Womöglich kennt ihr auch noch die strenge Sitzordnung aus eurer Schulzeit? Als Schwatz-Bremse sitzen manchmal sogar nur Mädchen neben Jungen. Und allein für die ganz Schüchternen gibt’s vielleicht mal eine Ausnahme. Vergessen wird dabei, dass man Hausaufgaben ja auch lieber mit einem Freund statt mit irgendeinem Klassenkameraden macht.
Es ist verständlich und leicht, den alten Mustern zu folgen, da sie uns vorgelebt wurden. Aber ist es nicht notwendig, neue Wege zu gehen, um Frieden und Freiheit für alle zu erreichen?
Wenn wir Freiheit wollen, sollten wir sie kultivieren
Ich frage mich, wie die Einteilung in stark und schwach nützt, wenn sie doch spaltet. Die Schablone für Schüler trägt eben doch den Aufkleber „Förderung zur gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ statt „Bemühung um Wahrung der Einzigartigkeit“.
„Unser Bildungssystem respektiert das Individuum nicht. Sie zwingt alle in ein bestimmtes Muster. Vielleicht stimmt das Muster für ein paar wenige Menschen, doch die Mehrzahl fühlt sich verloren.“ (frei nach Osho)
Wir sollten nicht vergessen, dass wir im Jahr 2023 leben. Ja, unser Schulsystem stammt aus der Kaiserzeit. Aber würden Wilhelm oder Friedrich die Spaltungspädagogik bis auf den heutigen Tag noch gut finden? Es ist doch längst an der Zeit, Menschen nicht mehr einzuteilen, auszugrenzen oder zu bewerten! Und genau das sollte auch für junge Menschen, also Kinder, gelten. Nur, weil ein Kind nicht lehrbuchmäßig auswendig lernt oder andere Rechenwege sucht, als es üblich ist, soll es „schwach“ sein?
Überraschung: Kinder haben Gefühle
Entweder bist du als Kind froh, ein „starker Schüler“ zu sein oder du bist traurig, weil du es nicht bist. Das Lernen in den Schulbänken ist nicht selten begleitet von der Angst, etwas falsch zu machen. Neben den guten Absichten der Pädagogen wird vollends vergessen, dass sich Schüler durch die Einteilung diskriminiert und minderwertig fühlen können.
Einteilung ist Bewertung
Ich habe eine Freundin, die Mutter von einem Sohn ist. Ich kenne ihr Kind und finde es, so wie meine Freundin, einfach klasse. Es spielt, baut Buden mit dem Nachbarsjungen, kampelt und verträgt sich, interessiert sich für Eisenbahnen und noch viel mehr – kurz: Der Junge ist ein tolles Kind.
Seine Lehrerin sieht hingegen nur seine „Leistung“ in der Schule. In seiner Klasse geht es laut her. Aber die Lehrerin unterrichtet eher leise und vielen Schülern fällt es schwer, ihr zu folgen. Egal, wie die Umstände sind: Statt sich ein neues Bildungskonzept für die Schüler zu überlegen oder der Lehrerin weitere Fachkräfte zur Seite zu stellen (ist ja wegen des Lehrermangels sowieso nicht drin), gelten die Kinder als unaufmerksam. Es hagelt schlechte Noten, Einträge ins Muttiheft und Kritik am Verhalten.
Selbst, wenn wir Bewertungen gut fänden, würden wir bei einem Kind, das wir mögen, Zweifel an dieser einen Bewertung hegen. Wir würden sagen, dass der aufgedrückte Stempel unfair ist. Bestimmt können wir die Verzweiflung der Pädagogin spüren. Aber gegen die Bezeichnung „schwacher Schüler“ würden wir als Eltern wahrscheinlich Einspruch erheben.
Es kommt nicht nur auf die „Leistung“ an
Man stelle sich vor, in der Klasse ist ein Mädchen namens Klein-Lieschen, das schon flüssig lesen kann, die Lehrer mit einem breiten Lächeln begrüßt und die Rechenaufgaben schnell und fehlerfrei löst – ein echtes Vorbild für die anderen Schüler. In diesem Fall gilt sie als „starke“ Schülerin.
Was aber, wenn sie in den Pausen ihre Mitschüler mit unfairen Tricks erpresst oder andere Gemeinheiten begeht? Auch dann bleibt sie für Lehrer*innen und andere Erwachsene eine „starke“ Schülerin, obwohl sie ein Biest ist.
Dies ist ein Beispiel für falsche Beliebtheit, Angeberei und Ausgrenzung, die von den Erwachsenen oft nicht bemerkt wird. Aber das heißt nicht, dass es nicht passiert. Und auch nicht, dass es richtig ist.
Wie würde dieselbe Einteilung bei Freilernern aussehen?
In Dänemark, Kroatien und Deutschland lernten wir Familien kennen, in denen die Kinder oberhalb des Grundschulalters lagen. Sie besuchten keine Schule. Es gab keine Bewertung. Ich schätzte den Austausch mit den Eltern, weil sie nicht mit den Lernerfolgen ihrer Kinder prahlten. Vielleicht kennt ihr Eltern, die verschwenderisch protzen, weil ihr Kind so ein unglaublich talentierter Freilerner ist. Dabei ist es gerade mal im Vorschulalter.
Unter den alten Unschooling-Hasen kenne ich niemanden, der seine Kinder über alle Maßen lobt. Ich meine sogar, es ist nicht üblich, mit den Lernerfolgen der Kinder zu prahlen. Es passiert wohl eher den „Neulingen“ in der Szene und wird von anderen schnell als nervig angesehen. Denn ein „Schau her, was mein Kind Tolles kann“ impliziert oft ein Vergleichen mit anderen. Oder es setzt die Erwartung voraus, dass vom Gegenüber gehört werden will, dass andere Kinder in dem Alter noch nicht dies und das konnten.
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Ich mag das Vergleichen deshalb nicht, weil man sich – wie in den Schulen – aus den gleichen Schubladen bedient. „Mein Kind kann A, dein Kind kann ja nur B. Mein Kind ist toll, deshalb ist es besser als deins. Mein Kind ist stark, deins ist schwach.“
Statt Prahlerei
„Funktioniert“ selbstbestimmte Bildung bei euch zu Hause? Falls ja, dann speichert es für eure inneren, noch in der Zukunft liegenden Zweifel, anstatt damit vor aller Welt zu prahlen. (Sowas kann man einfach den Großeltern überlassen.)
Bekommt ihr das Gefühl, dass das Lernen gerade stockt, dann tauscht euch mit (erfahrenen) Familien aus. An welchen Projekten arbeiten die Kinder aktuell? Welche Materialien kommen gut an? Was beschäftigt wen? Erinnert euch gegenseitig an das Bild vom freien Kind.
Uns Unschoolingfamilien verbindet das Vertrauen in unsere Kinder. Egal, wie sie sind. Wir denken, dass Kinder von Natur aus zum Lernen geschaffen sind. Für alles, was sie brauchen und jedes zu seiner Zeit. Es gibt keine starken und schwachen Freilerner. Es gibt Freilerner, die zeitig lesen oder später, solche, die erst Bruchrechnen lernen und später die Uhr. Dann gibt es die, die Pflanzenbücher auswendig lernen, während andere ihren Tauchschein machen. Und es gibt manche, die sich auf einen Schulabschluss vorbereiten und wiederum andere, die ohne offizielle Ausbildung in einen Beruf rutschen.
An allem, was getan, gelernt und gearbeitet wird, klebt die Begeisterung unserer Kinder. Sie ist das, weshalb Kinder, die nicht bewertet werden, etwas schaffen, experimentieren, herausfinden, sich Wissen aneignen und Ziele verfolgen.
Das Problem mit dem Lob zuhause und in Schulen
Bekämen Erwachsene wieder volles Vertrauen in ihre Kinder, veränderte sich auch ihr Blick auf die (Un-)Notwenigkeit einer Erziehung mitsamt des Einteilens, Strafens und Lobens. Weil wir selbst durch mehr oder weniger „Peitschenhiebe“ trainiert wurden, fällt uns der Verzicht auf Erziehung und der Schritt zur liebevollen Begleitung freilich nicht leicht.
Rutscht man auch hin- und wieder in Richtung Johanna Harder zurück – die Wirkung von Lob und Strafe sollte uns bewusst sein. Dass Strafe blöd ist, hat sich längst herumgesprochen.
Anders sieht es mit dem Loben aus. Loben wird oft gleichgesetzt mit Anerkennung. Doch das ist es nicht! Mit einem Lob bringe ich Kinder in ein Abhängigkeitsverhältnis. Hauen wir Kleinkindern schon beim Heruntersausen auf der Spielplatzrutsche jedes Mal ein „Na fein, prima! Gut gemacht, bravo, bravo!“ um die Ohren, finden sie bald normal, dass man ihr Tun immerzu bewertet.
Vom Töpfchentraining zum Bild malen und lesen lernen – Loben zieht sich durch ihre Kindheit, bis ihnen als Teenager auffällt, wie peinlich es ist, gelobt zu werden. Bis es soweit ist, erwartet das lobgewohnte Kind für alles ein Lob. Es macht abhängig, obwohl es Manipulation ist. In der Psychologie Arbeitende nennen Lob deshalb auch die „Zuckerguss-Kontrolle“. Denn wer lobt, erwartet etwas. Wer gelobt wird, tut das nächste, um wieder ein „Leckerli“ zu erhaschen. Erwachsene wollen ein Verhalten verstärken – mit echter Verbindung zum Kind hat das nichts zu tun.
Mit unserem Lob zeigen wir einem Kind, wie es sich zu fühlen hat. Es geht nicht darum, dass man jemanden etwas Positives sagt. Es geht um die Beurteilung. Und kein Mensch mag es, beurteilt zu werden.
Kinder mit einem geringen Selbstwertgefühl oder ängstliche Kinder werden von Erwachsenen intuitiv noch stärker gelobt. Doch dadurch sinkt ihr Selbstwertgefühl oft noch mehr. Schüler werden sich seltener zu Wort melden, denn ihre Antwort oder Frage könnte dem Lehrer zeigen, dass sie des Lobes nicht wert sind.
Anerkennung statt Lob
Echte Anerkennung zeigen wir, indem wir richtige Gespräche mit unseren Kindern führen: Zuhören, Gedanken ohne Bewertung austauschen, einander fragen und aussprechen lassen, erzählen und überlegen, was einem guttut, gefällt und hilft. Freut euch mit, wenn euer Kind zum ersten Mal etwas geschafft hat.
Überlegen wir uns doch einmal, wie wir mit einer Freundin sprechen würden. Stellen wir uns vor, sie hätte eine langersehnte Stelle in ihrem Traumjob bekommen. Würden wir sagen: „Hey, ich freue mich mit dir!“, oder eher: „Ja ganz große Klasse, das hast du fein gemacht!“?
Lasst das Vergleichen sein
Es gibt keine schwachen Schüler und auch keine starken. Lasst mich euch noch ein paar Worte Oshos (mehr von ihm findet ihr hier) zum Vergleichen mitgeben:
„In dem Moment, in dem man sich mit anderen vergleicht, löst man sich von seiner Intelligenz. Jetzt wird man nie mehr rein, klar und transparent sein. Man verliert seine Klarheit, seine Vision. Man hat nur noch geborgte Augen. Doch wie kann man durch die Augen von jemand anderem sehen? Man braucht eigene Augen zum Sehen. Man braucht eigene Beine zum Gehen. Man braucht ein eigenes Herz. Die Menschen haben ein geborgtes Leben, daher sind sie gelähmt. Lähmung führt dazu, dass sie dumm werden.“
Lasst uns das Einteilen und Vergleichen ad acta legen. Die Zukunft unserer Kinder soll glücklich sein. Und sie beginnt schon jetzt.
Nur Mut,
eure Evelin
Schwache Schüler gibt’s nicht beim Freilernen von Free Your Family ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Ich habe gerade keine Worte. Ich will nur ein/mei Herz hier lassen❤️
Liebe Evelin,
Ich lese immer mal wieder mit viel Vergnügen in eurem Blog
Jetzt brennt es mir unter den Nägeln, eine Nachricht zu diesem Artikel zu schreiben.
Nicht die ANDEREN sind Schule, sondern wir alle!
Nicht die ANDEREN sind die Kreidestaublehrer (das finde ich einen extrem herablassenden und verletzenden Begriff für einen engagierten modernen Lehrer, der kreativ genug ist auch mit Steinzeitmitteln seinen Unterricht zu machen), sondern WIR ALLE sind Lehrer!
Lehrer, dass sind nicht ein paar Beamte, sondern auch die zahlreichen Seiteneinsteiger, die die gleiche Arbeit für weniger Geld und mehr Idealismus tun, Zoopädagogen, Museumsmitarbeiter, Planetariummitarbeiter u.v.m. und vor allem wir Eltern!
Jeden Tag im Leben unseres Kindes, in dem wir ihm den Weg zu Dingen zeigen, die es vorher nicht kannte und indem wir unser Kind begleiten, mal an die Hand nehmen und mal auffangen, wenn es fällt und trösten und zum Weitermachen ermutigen.
Alle guten Eltern, die guten Zugang zu inneren und äußeren Ressourcen haben, sind ihren Kindern gute Lehrer.
Es haben nicht alle Eltern gleichen Zugang zu ihren inneren und äußeren Ressourcen. Einige stehen mit leeren Händen und Herzen voller Verzweiflung da und wünschen dennoch ihren Kindern die bestmögliche Lehre. Nur können sie selbst nicht aus dem Vollen schöpfen.
Eltern und Kinder haben Angst vor Ablehnung und sind einerseits voller Hoffnung, andererseits voller Skepsis gegenüber dem System.
Nicht die ANDEREN sind Lernende, sondern wir alle, auch wir Berufslehrer.
Leider lernen wir häufig für die Schule und nicht für das Leben (das gilt nicht nur für die Schüler, sondern auch für und Berufslehrer).
Wir alle schimpfen völlig zurecht über ein veraltetes Schulsystem, Eltern, Schüler und Lehrer. Wir alle sind enttäuscht.
Und WIR alle leben in dem völligen Irrtum, jemand anderes müsse mal etwas tun.
Wir begeben uns in eine passive, abwartende unmündige Haltung. Bestenfalls jammern und klagen geht noch. Es mag zutiefst wünschenswert sein sich eine Änderung herbeizuwünschen, aber es ist weder sinnvoll, noch richtig, noch realistisch, dass dies durch Wünschen funktioniert. Also, einfach mal machen!
Mein Apell und meine Bitte an euch: Überlasst die Schule nicht den Schulsystemfundamentalisten, werdet aktiv, kommt aus eurer Schutzhaltung und tretet ein Stück aus eurer Familienidylle heraus und bietet die helfende Hand. Vor allem denen, die einen Mangel an Familienzusammenhalt und Wärme haben.
Ihr seid eine BILDUNGSREICHE Familie, teilt den Schatz mit anderen und zieht euch nicht unter andere Reiche zurück und bestätigt euch dort ständig, dass euch die Bildungsarmut der anderen Systemidioten ankotzt.
Bitte seid so gut und gebt ein wenig von eurem Reichtum und eurem Wissen und eurer Weisheit an andere arme Familien ab, die gar keine Wahl haben, als in der Schule ihren Bildungshunger zu stillen (manchen geht es so schlecht, dass sie nicht einmal mehr das natürliche Hunger-Bedürfnis und den natürlichen Wissensdurst verspühren)
Nicht alle Kreidestaublehrer sind Engel, bei weitem nicht. Wir sind überforderte Sozialarbeiter, übernächtigte Psychologen und Seelsorger, Streitschlichter und Ersatzmamas und -papas für unsere angenommenen Großfamilien. Die meisten von uns lassen ihre Kinder nicht im Stich und kämpfen an ganz vielen Fronten. Wir telefonieren in unserer Freizeit mit Jugendämtern, Psychologen, organisieren für unsere Kinder Ausflüge und Fahrten an die See, Fahrten in den Wald, um das Ökosystem zu erklären, machen bei Film- und Biowettbewerben (wie z.B. BioLogisch) mit, bieten viele AGs, in denen Schüler sich als Erstehilfesanis, Medienscouts, Streitschlichter, Aulatechniker, Schachspieler, Guitarrenspieler, Gärtner usw. ausprobieren.
Und bei allem was wir Berufslehree leisten ist unser Ruf in diesem Land so schlecht wie nie zuvor!
Wir modernen Berufslehrer arbeiten längst nicht mehr nach dem Schwächen-ausbügeln-Prinzip, sondern versuchen gezielt Stärken zu Stärken. Anders würde ich meinen Lehrerverufsalltag ohne Burnout gar nicht überleben. Und zur Ausübung meines Berufs muss ich sagen, dass ich unter Beruf Berufung verstehe und eine große Portion Idealismus. Des Geldes wegen mache ich es gewiss nicht (Ich hab diesen Beruf auch nicht studiert und bin nicht verbeamtet. Ich kann jederzeit gehen, wenn ich will und muss um keine Pensionsansprüche fürchten).
Würde ich in Thailand beruflich unterrichten hätte ich mit lächelnden, dankbaren, respektvollen Schülern und dankbaren Eltern zu tun. Hier kann ich froh sein, wenn ich nach einem beherzten Einschreiten in eine Schülerprügelei keine Anzeige der Eltern bekomme, weil ich ihr Kind festgehalten habe (weil es gerade auf ein anderes Einschlagen wollte).
Und dennoch, ich liebe sie, meine Schule, ich liebe meine Schüler und meine lieben Kollegen, die vielen Kindern ein Gefühl von Angenommenheit und Liebe vermitteln, egal ob sie unseren Kindern in der Klasse 5 die Schuhe zubinden oder die Reißverschlüsse schließen, weil das niemand für sie macht. Egal ob wir weinende Eltern trösten, die sich mit ihren Kindern überfordert fühlen oder zwischen prügelnde Schüler treten und versuchen ihnen eine sprachliche Alternative anzubieten und die Grundbegriffe der GFK.
Bitte, bitte berücksichtigt das in Zukunft und denkt einmal darüber nach, dass nicht alle Kinder die gleiche Freiheit Zuhause haben und vermittelt bekommen wie eure.
Ihr seid so reich an inneren Ressourcen, dass ihr euch leisten könnt eure Kinder auf eure familieninterne Privatschule des Lebens schicken zu können, fern vom Kreidestaublehrern und den ganzen Schmuddelkindern, die das dreckige Schulsystem nutzen müssen.
Seid bitte dankbar für diesen Herzensluxus und gebt bitte bei Gelegenheit etwas an Erfahrung an die einfachen Massenschulen zurück.
Vielen Dank für’s Lesen,
eure regelmäßige Blogleserin Flo,
die Lehrerin an einer Brennpunktschule ist und dort „ihre“ Kinder hat, die sie nicht im Stich lassen möchte und die selbst Mama eines Freilernerkindes (nenn ich nur normalerweise nicht so, weil ich den Ausdruck genau so blöde und schubladenbehaftet finde wie Kreidestaublehrer) ist, das schon immer an alles mit Wissensdurst und Appetit auf neuen Input herangeht und seit dem zweiten Lebensjahr Freude an Buchstaben und Zahlen hat (welche meist erst als typische Schul- und maximal Vorschulthemen gelten) und welches nun in die reguläre Schule kommt. Dort darf es hoffentlich so anders sein darf wie es ist mit all seinen Stärken und Schwächen und einfach nach dem Motto lernen und Spielen. “The goal is not simply to ‘work hard, play hard.’ The goal is to make our work and our play indistinguishable.” – Simon Sinek
PS: Zu deinem Verhältnis als Pädagogin (du bist die gelernte Pädagogin, ich bin die Verhaltensbiologin) zur Schule noch ein schönes Zitat für dich und deinen Weg: :Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ – Mahatma Gandhi
Danke Dir! :)
Liebe Evelin,
noch etwas zu den Headlines, bzw. den dazugehörigen Abschnitten:
1. (Zum Titel) Schwache Schüler gibt’s nicht beim Freilernen
– Die gibt es tatsächlich nicht, es gibt nur Menschen mit Stärken UND Schwächen (egal ob es sich um Schüler:innen oder Lehrkräfte handelt)
Genau so stimmt der Satz, schwache Lehrer gibt es nicht, nur Menschen mit Schwächen UND Stärken
2. Wenn wir Freiheit wollen, sollten wir sie kultivieren
Das sehe ich auch so. Kurz gesagt, statt meckern einfach mal (anders) machen.
3. Überraschung: Kinder haben Gefühle.
Ist für mich jetzt nicht so überraschend, aber auch hier gilt.
Überraschung: Erwachsene haben auch (noch) Gefühle und manche von ihnen sind sogar Berufslehrer MIT Gefühlen
4. Einteilung ist Bewertung
Ja, das ist so. Ich fühle mich gerade auch von dir in die Kreidestaublehrerschublade eingeteilt und mit einer sehr negativen Note bewertet.
Damit kann ich umgehen und viele Schüler können das auch, aber nicht alle. Doof finde ich Bewertung trotzdem, aber nicht alles an Schulen wird bewertet, die AGs bei uns zum Beispiel nicht und andere Projekte auch nicht und Ausflüge und Klassenfahrten auch nicht.
Ich empfehle dir übrigens ganz dringend den Film „Freedom Writers“ nach einer wahren Begebenheit an einer Schule in den USA im sozialen Brennpunkt. Diese Idee wird auch in Deutschland umgesetzt (ich bin gerade dabei unsere Schule als Partnerschule dafür zu gewinnen, bisher sind 150 Schulen dabei)
Es kommt nicht nur auf die „Leistung“ an.
Da sind wir uns einig. Häufig mag ich die Schüler mit den schlechtesten Noten in anderen Fächern besonders. Generell mag ich einfach Menschen, die den Mut zum Anders-sein haben, ganz besonders dann, wenn sie sich für Schwächere einsetzen (Damit mein ich jetzt nicht wieder unbedingt schulischen Lernerfolg, sondern z.B. meinen russisch-sprachigen Schüler, der der neuen ukrainischen Schülerin die Kunstaufgabe übersetzt, den Schüler, der sich als Streitschlichter oder Pate für die neuen Fünftklässler einsetzt, die Schülerin, die laut dazwischengeht als ein anderes Kind von zwei seiner Mitschülern bedrängt wird und nicht einmal auf unserer Realschule ist, sondern auf dem Nachbargymnasium, die Schülerin, die eine bestimmte Modemarke boykottiert, seitdem sich diese als dickenfeindlich geäußert haben (und nein diese Schülerin ist selbst nicht dick), die Schüler die erst Regenwürmer eklig fanden, dann aber nach einigen Tagen Arbeit mit dem fleißigen Erdbewohner, diesem einen Namen gaben und sich rührend um ihn sorgten so lange er Gast bei uns war.
5. Wie würde dieselbe Einteilung bei Freilernern aussehen?
Ich befürchte, es gibt auch bei Freilernern eine Einteilung. Und ich befürchte ebenfalls, dass nicht alle Freilerner das Freilernen aus den „richtigen“ (das ist zugegeben jetzt subjektiv) Motiven heraus nutzen. Einige sind mit Sicherheit auch keine weltoffenen Lerner. Fragt euch am besten immer, ob ihr genau so freundlich von Freilernergruppe XY aufgenommen worden wäret, wenn eure Hautfarbe lila, eure Religion die des Flying Spaghetti-Monsters und euer Kleidungsstil spezieller oder traditioneller wäre und ihr einer anderen Ethnie entsprechen würdet als der eher nordisch-europäischen.
6.Statt Prahlerei…
-Sehe ich ähnlich.
7. Das Problem mit dem Lob zuhause und in Schulen und 8. Anerkennung statt Lob
– Im Alltag schwer zwischen Lob und Anerkennung zu trennen. Ist meiner Meinung nach eine Grauzone. Die meisten meiner Schüler wollen ein Lob, suchen abe r eigentlich Anerkennung, können damit aber (zunächst) nichts anfangen. Beispiel „Wie finden Sie mein Bild bisher?“ „Ich sehe, du hast…Wie gefällt es dir denn bisher?“ Mit der Rückfrage können meine Schüler erstmal nichts anfangen. Bis aus der extrinsische eine intrinsische Motivation wird, dauert.
8. Lasst das Vergleichen sein
-Ja, ich bitte darum. Es gibt keine schwachen und starken Schulsysteme. Es gibt nur solche, die von Menschen mit Schwächen und Stärken mit Lebendigkeit gefüllt werden. Für alle Menschen gilt gleichermaßen:
Vergleiche dich nicht mit anderen, sondern nur mit dir selbst wie du vor einem Tag warst und frage dich selbst ehrlich- bin ich ein bißchen besser?
Hallo Flo,
so viele Zeilen, so viel Mühe: Danke!
Nun, ich hoffe, dass in meinem Artikel hauptsächlich zum Ausdruck kommt, dass die Einteilung in starke oder schwache Schüler*innen an Grundschulen ein Problem hervorrufen kann, unter dem Grundschüler*innen leiden.
Ich beleidige keine Lehrer*innen, ich schreibe auch von „Kreidestaubpädagogen“ als Synonym für Lehrer*innen, die an alten Schulkonzepten festhalten, um Wortwiederholungen zu vermeiden. Niemand muss sich hierdurch angesprochen fühlen.
Mir ist bewusst, dass es viele engagierte Grundschullehrer*innen gibt und ich bin froh darüber. Du zeigst mir, welche Personengruppen für dich „Lehrer“ sind. Das ist auch in Ordnung, aber letztendlich geht es mir um die Grundschulen.
Es ist eine falsche Annahme, dass ich Schulen verteufle. Ich mag Schulen und sehe in ihnen großes Potenzial. Wo sonst gibt es so viel tolles Lernmaterial? Noch dazu mit Menschen, die sich in ihrem Beruf ganz bewusst für die Bildung von Kindern einsetzen wollen. Ich habe auch nichts gegen berufsbildende Schulen, denn gerade dort können junge Menschen ihre Begeisterung ausleben (im Idealfall noch mehr als an allgemeinbildenden Schulen, weil sie dort ihrer Berufung nachgehen können).
Ich habe nie behauptet, dass Freilernen für alle Familien geeignet ist. „Früher“ antwortete ich gerne „Bitte nicht nachmachen!“, wenn mich Eltern in Mails mit zahllosen Rechtschreib- und Kommafehlern um Tipps zum Freilernen baten.
Später brachte Corona nicht wenige Familien dazu, ihre Kinder zu „Freilernern“ zu ernennen. Auf Reisen, in Deutschland und in verschiedenen Netzwerken lernen wir Eltern kennen, die zum Teil auswandern, um dann ihren Kindern die flache Erde, Fremdenfeindlichkeit oder urkomische Verschwörungen zu „vermitteln“.
Unterricht nach den Maßstäben der Eltern ist vielleicht Homeschooling, aber mit Freiheit hat das wenig zu tun.
Unter den alten Hasen der „ Freilernenden“ gibt es natürlich Augenrollen, wenn schon wieder eine „ Freilerner-Familie „ nach Lerngruppen für Mathematik in Klasse 1 (oder 2, 3, x) fragt. Aber klar, statt einfach eine neue Gruppe für „Coronaflucht-Freilerner“ zu eröffnen, investieren wir unsere Zeit, zeigen und erklären, was Lernen für uns und unsere Kinder bedeutet.
Soviel zur Arbeit nach außen, die man im Blog nicht sehen kann.
Was weiteres Auftreten nach außen angeht: Telefonate, Interviews und Korrespondenz mit Bildungsformaten bekommt hier auch niemand mit. (Und da bin ich als Freilerner-Mama nicht allein, denn fast jeder ist, wenn er nicht gerade mit einem Rechtsstreit wegen Schulpflichtverletzung kämpft, ständig damit beschäftigt, Veranstaltungen zu organisieren, Vorträge zu halten, Spenden zu sammeln, zu unterstützen, sich zu vernetzen und in Bildungsvereinen zu arbeiten, die sich an die Öffentlichkeit richten).
Ich habe nicht das Gefühl, in unserer Familienidylle festzustecken. Obwohl ich das auch gerne mal hätte – einfach „nur“ Familie! Schade, dass dafür manchmal einfach die Zeit fehlt.
Der Artikel richtet sich in erster Linie an Eltern von Freilernenden (im Sinne von „selbstbestimmter Bildung“). Es ist mir wichtig, zu Wort kommen zu lassen, was beim Freilernen geht und was nicht.
Allein das Lob bezieht sich auf die freilernenden Kinder. Mir ist klar, dass Lob und Anerkennung in der Schule vermischt werden, weil ich der Meinung bin, dass das erst einmal in den Krippen, Kindergärten und Familien ankommen muss.
Ich glaube aber, dass zum Beispiel unsere Freunde von den Unschoolern und auch die Pädagogen und Pädagoginnen in den freien Schulen weltweit sehr gut darin sind, auf Anerkennung statt auf Lob zu setzen.
Deshalb wünsche ich mir, dass es sich unter uns Unschoolern verbreitet, unsere Kinder nicht in Starke und Schwache einzuteilen, damit eben keiner Lobeshymnen singt: „Die einzig Wahren sind wir tollen Freilerner, trallala …“.
Liebe Grüße, Evelin
Hallo liebe Evelyn,
Ich bin gerade auf euren Blog gestoßen, weil ich Informationen im Netz übers homeschooling in Tschechien suche.
Seid ihr denn noch da um homeschooling zu machen?
Wir suchen hier gerade verzweifelt einen Ausweg für unseren 8jährigen Sohn.
Ich finde nicht soviel über Tschechien und würdegerne wissen wie groß die Hürden dort sind?
Gibt es einen Stichtag zur Anmeldung, ähnlich österreich und südtirol, nachdem es nicht mehr möglich ist?
Oder ist es wie in Dänemark jederzeit möglich?
Muss denn die tschechische Sprache erlernt werden?
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen, liebe Grüße, Miriam.
Liebe Miriam, nun, wir leben das Modell der reisenden Unschoolingfamilie. Unsere Kinder werden nicht zu Hause unterrichtet und nehmen auch an keinem Fernunterricht teil.
Wir haben eine feste Base in Deutschland, die Wohnung des Papas. Wir besuchen diesen Ort insgesamt bis zu 6 Monaten im Jahr und sind sonst in anderen Ländern wohnend oder reisend.
In Tschechien läuft die Anmeldung zum Homeschooling über die Gemeinde, die an das entsprechende Schulamt weitervermittelt. Wer Homeschooling – also Hausunterricht betreiben will, richtet sich i.d.R. nach dem Lehrplan des Landes. In CZ wäre der üblicherweise in Tschechisch, in DK auch mit entsprechender Erfüllung der dänischen Sprache und Tests ab Kindergartenalter (nur im Norden oder vereinzelt auf den kleinen Inseln soll es noch freier sein).
Ihr solltet euch überlegen, ob euer Sohn tatsächlich nach Lehrplan oder frei – ohne Vorgaben – lernen möchte. Meldet ihr ihn in eurem Wunschland nicht an und ist er aus Deutschland abgemeldet, könnt ihr bereits durchatmen. In Prag gibt es z.B. seit Jahren vollkommen freie Unschooler aus Schweden, der Slowakei u.a., die dort auch gemeldet sind. Ausländer werden hier nicht selten besonders behandelt. So eine Entscheidung sollte allerdings auch bezüglich Kindergeld, zu versteuerndes Einkommen oder wie man im Ausland allgemein dazu kommt, Kontakt-Kappung usw. wohlüberlegt sein.
Über Facebook- oder Telegramgruppen werdet ihr sicher fündig, mit anderen Auswanderern u.o. Homeschoolern in Kontakt zu treten.
Alles Gute, Evelin
Lieben Dank für deine Antwort.