Die ersten 25 Jahre meines Lebens verbrachte ich in der Matrix. Wie Tomas A. Anderson im gleichnamigen Film lebte ich in einer scheinbar heilen Welt, die ich nicht hinterfragen musste. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Das gipfelte darin, dass ich von einem Tag auf den anderen vegan wurde. Was war passiert? Was sind die Gründe für den Veganismus? Welche Auswirkungen hat das vegane Leben? Und brauchen Tiere Rechte?

Um das Thema Veganismus ging es auch in der schulischen Projektarbeit meiner Nichte. Mit dem folgenden Interview habe ich sie bei ihrer Arbeit unterstützt. Und es ergab sich für mich die Gelegenheit, das vegane Leben einmal intensiv für unser Blog aufzubereiten. Wenn ihr mehr über meinen Weg aus der Matrix wissen wollt und warum es sich – im übertragenen Sinn – lohnt, die rote Pille zu schlucken: Lest weiter! :)

Aber Vorsicht: Vielleicht ist dieser Blogpost selbst eine der roten Pillen.

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Veganismus – eine Definition

Der Veganismus ist eine Lebensweise, bei der man anderen Tieren kein Leid zufügt – weder durch Handlungen noch durch Konsum. Es ist eine bewusste Entscheidung des Menschen gegen die Gewalt an und die Ausbeutung von anderern Erdlingen.

Wie lange lebst du schon vegan?

Ich lebe seit April 2007 vegan.

Wie bist du auf das Thema Veganismus aufmerksam geworden?

Ich lernte in meiner Jugend und als junger Erwachsener (vor rund 20 Jahren) hin und wieder junge Veganer kennen – allesamt eher schmächtige Gestalten. Es waren flüchtige Kontakte. Daher bewertete ich sie als komische, sentimentale Verrückte und beschäftigte mich ansonsten nicht weiter mit ihnen und ihren Ansichten.

Auf meinen Streifzügen durch das damals noch vergleichsweise junge Internet stieß ich über die Tierrechtsgruppe Maqi. Die grausamen Bilder von ausgebeuteten Tieren, die auf deren Website gezeigt werden, führten das erste Mal dazu, dass ich vegan leben wollte. Das Ganze ging tüchtig daneben. Obwohl es für mich unerträglich war, was ich bei Maqi gesehen habe, ließen meine Gier nach all den köstlich riechenden und schmeckenden „Tierprodukten“ und die dummen Sprüche von Bekannten mich all meine guten Vorsätze schon nach einer Woche über den Haufen werfen.

An einem Morgen im Januar 2007 erwachte ich mit unvorstellbaren Schmerzen. Ich hatte keine Ahnung, was da los war und dachte, das wäre mein Ende. Mein Vater brachte mich ins Krankenhaus. Die Diagnose: ein Nierenstein sitzt im Harnleiter fest. Die Schmerzmittel haben nicht angeschlagen,und auch die Entfernung des Steins war mehr als unangenehm. Mir war klar, dass die Ursache mit meiner Lebensweise zusammenhängen musste – mit dem Konsum von Fleisch und Milch. Ich schraubte ihn drastisch herunter. Seit ich vegan lebe, hat sich zum Glück nicht noch einmal ein Nierenstein gebildet, obwohl das angeblich immer wieder vorkommen soll, wenn man das einmal hatte.

Earthlings – meine rote Pille zum Veganismus

Drei Monate später erregte ein Link in einem Profil bei einer „Online-Singlebörse“ meine Aufmerksamkeit. Er führte mich zum Film „Earthlings“. Mittlerweile gibt es den sogar mit deutscher Synchronisation im Netz. Was ich dort sah, erschütterte mich zutiefst. Ich saß heulend vorm Monitor. Der Film legte in mir einen Schalter um. Ich wollte nicht mehr Teil dieses entsetzlichen „Systems“ sein. Nicht mehr Schuld an all dem Leid. Und daran hat sich seitdem nichts geändert.

Ihr wollt ihn sehen? Hier geht’s zum Film: zu Earthlings auf YouTube

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Nach dem Film beschäftigte ich mich intensiv mit dem Veganismus, mit den Argumenten für und gegen ihn und mir wurde klar, was die Ausbeutung der Tiere anrichtet. Und es waren nicht nur die Tiere, die für mein „Vergnügen“ leiden mussten. Durch die „normale“, omnivore Lebensweise verschlechterte sich meine körperliche Gesundheit und Fitness von Jahr zu Jahr. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen, die diese unreflektierte Lebensweise auf Natur und Umwelt hatte.

Aus welchen Gründen bist du vegan?

Ich verstand, dass ein Tier ein Individuum ist. Tiere sind Lebewesen – also Wesen, die leben (wollen). Und da ich deren Ausbeutung nicht unterstützen will, könnte man sagen, ich bin aus ethischen Gründen vegan. Doch das Thema ist viel tiefgreifender.

Denn mit einer veganen, rein pflanzlichen Lebensweise lebe ich nicht nur gesünder. Ich leiste durch den sparsameren Umgang mit Ressourcen und Lebensmitteln auch einen aktiven Beitrag zum Klima- und Umweltschutz.

Sie sind wie wir

Wenn wir tief schauen, können wir erkennen, dass wir mit anderen Tieren unglaublich viel gemeinsam haben. Wir sind im wahrsten Sinne aus demselben Sternenstaub entstanden und teilen mit ihnen eine gemeinsame evolutionäre Entstehungsgeschichte, die gleichen Gene.

Sind wir uns bewusst, dass Gefühle von Sinneszellen, dem Nervensystem und von den Botenstoffen im Körper abhängig sind und Tiere darüber genauso verfügen wie wir, dann können wir eigentlich zu keinem anderen Schluss kommen, als dass sie so sind wie wir. Oder, dass sie mindestens ähnlich fühlen müssen. Bei Säugetieren fallen uns die Gemeinsamkeiten noch am ehesten auf.

Sind es „nur Tiere“?

Viele Leute sagen: „Kühe und so, das sind doch Nutztiere. Und es ist normal, dass man ihnen die Milch abnimmt.“ Doch wir haben bestimmte Spezies ganz willkürlich zu solchen „Nutztieren“ erklärt. Das ist etwas, was wir ihnen zuweisen. Das wird sogar heute noch den Kindern in der Schule gelehrt, ohne darüber zu reflektieren und über die Folgen davon zu sprechen.

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Und als VeganerInnen fragen wir jetzt: Was gibt uns das Recht, von manchen Tieren zu sagen: „Das sind Nutztiere“? Was gibt uns das Recht, zum Beispiel über manche Kaninchen zu sagen: „Ja, die müssen für den Tierversuch jetzt ihr Leben im Käfig im Labor fristen und sich Gift spritzen lassen“? Was gibt uns das Recht, andere Kaninchen in ein Gehege zu setzen und zu sagen: „Du bist jetzt mein Kuscheltier“? Vielleicht will es gar nicht kuscheln.

Das speziesistische Denken

Warum machen wir Menschen mit Tieren so viele Dinge, die wir mit Menschen nicht machen würden? Zum Beispiel sagen Menschen oft: „Ja, aber es schmeckt halt so gut.“ Das ist doch kein Grund! Ich würde ja auch nicht dein Bein abschneiden und grillen, weil ich denke, das schmeckt total gut.

Dass wir Unterschiede zwischen Menschen und anderen Tieren machen, ist einerseits verständlich. Aber sie dürfen nicht so strikt und kategorisch sein.

Wenn „Soldaten“ im Auftrag der „Mächtigen“ wie Irre aufeinander schießen, obwohl sie den jeweils anderen nicht einmal persönlich kennen und sie vielleicht die besten Freunde sein könnten, kommt es einem zwar nicht so vor, aber: Bei Menschen haben wir ein strenges Tötungsverbot. Doch wenn es um den Appetit geht, um die Forschung, ums „Vergnügen“ oder darum, ein Haus zu bauen, dann stellen wir unser eigenes, menschliches Interesse über das der Tiere.

Doch der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, der alles machen darf – und nur, was er gütig erlaubt, dürfen die Tiere tun oder haben. Die Forschung zeigt: Wir leben mit Milliarden von anderen Spezies (Erdlingen) auf einer vergleichsweise winzigen blauen Murmel, die mit ein paar anderen Planeten um einen Stern kreist – die Sonne. Sie ist eine von Milliarden anderer Sterne in der Milchstraße, um die wiederum Planeten kreisen. Und die Milchstraße ist nur eine von Milliarden anderer Galaxien in diesem Universum. Die Spezies Mensch hat kein besonderes Privileg gegenüber anderen Spezies.

Wir alle sind Mitbewohner einer gemeinsamen Welt und da müssen wir Rücksicht nehmen. Wir müssen überlegen: Was dürfen wir und was schulden wir den anderen? Aus dieser Erkenntnis entstand die Tierrechtsbewegung. Sie ist eine weltweite Bewegung von Menschen, für die Tiere nicht „etwas“ sind, sondern „jemand“.

Wir brauchen Tiere nicht zu unserem Nutzen!

„Der Mensch hat schon immer Fleisch gegessen“

Früher waren Todesstrafe und Folter beim Menschen normal. Die Leute sind zu öffentlichen Hinrichtungen gegangen und haben sich das gerne angeguckt. Heute können wir uns das gar nicht mehr vorstellen. Gewaltfreiheit wurde immer mehr ein Teil unseres Selbstverständnisses. Die Schlachthöfe wurden unsichtbar gemacht und dann aus den Städten verbannt. Keiner wollte mehr sehen, wie Tiere geschlachtet werden. Wir Menschen haben diese „Normalisierung“ des Tötens verloren.

Was man jeden Tag macht, was Vater und Mutter einem vorleben, wie man aufwächst – all das hinterfragt man nicht so sehr. Das ging mir genauso – bis ins Erwachsenenalter hinein.

Kind vor einem Käfig

Für viele Menschen sind gefangene Tiere „normal“, weil sie es in ihrer Kindheit schon nicht anders erlebt haben

Keiner darf das Leid sehen

Doch wenn man von außen drauf guckt, dann stellen wir fest: „Oh Gott, warum machen wir sowas?“ Wenn wir zum Beispiel sehen, dass die Mutterkuh schreit, während drei Leute mit Eisenstangen versuchen, das Kalb zu entfernen. Und das passiert nicht nur in der konventionellen Massentierhaltung, sondern auch auf Biohöfen. Selbst dort gibt es Massentierhaltung. Sogar dort rufen die „Milchkühe“ nach ihren Kälbern, wenn sie ihnen entrissen worden sind. Denn es sind ihre Babys! Hier und da gibt‘s vielleicht ein paar hübsche Fotos oder auch Ausnahmen bei den Biohöfen, aber der Regelfall ist einfach wirklich schlimmste Ausbeutung.

Und diese Ausbeutung wird kaschiert. Keiner soll sehen, was da vor sich geht.

Man kann mit der Ausbeutung von Tieren Geld verdienen – viel Geld. Wenn Haribo die Packung ihrer Gummibärchen nicht so „kindgerecht und bunt“ gestalten, sondern stattdessen Knochen, Zucker und Chemikalienfläschchen darauf abbilden würde, würde das Zeug niemand mehr kaufen.

Bei all den Produkten im Laden sehen wir das Leiden der Tiere nicht mehr. Und doch ist es da. Und es ist einfach nur unvorstellbar grausam, was mit den Tieren gemacht wird. Und das alles nur, weil es „so gut schmeckt“?

Karnismus

Karnismus nennt man die Ideologie, die behauptet, dass manche Tiere zum Essen da sind, und andere, „unsere Heimtiere“, zum Streicheln. Das ist eine krasse Meinung. Und es ist die Mehrheitsmeinung. Sie gilt als Unterform des Speziesismus, also der Anschauung, nach der der Mensch allen anderen Arten überlegen und daher berechtigt sei, deren Vertreter so zu behandeln wie er will. So werden in der Biologie, in der Schule, aber auch in der Religion vermeintliche Begründungen und Rechtfertigungen gesucht, weshalb man die Tiere aufgrund der angeblich hierarchischen Stellung des Menschen ausbeuten und töten darf. So landet dann das Lieblingskaninchen des Kindes als Sonntagsbraten auf dem Teller.

Ich denke, wenn die Menschen all diese Dinge wissen würden und sie nicht verdrängen, dann würden die meisten anders handeln. Viele wollen aber konform sein. Sie wollen so sein wie die anderen. Sie wollen nicht weiter auffallen, nicht ausgegrenzt werden und haben dann so bequeme Ausreden parat wie: „Ich esse nur ganz wenig Fleisch, und nur bio“. Aber das stimmt meistens nicht.

Andere wollen gar „cool“ sein. Obwohl ich nicht weiß, was daran cool sein soll, Tiere zu quälen. Leider gibt es Menschen, denen der Anblick von leidenden Tieren, Gewalt, Blut und Todesschreien schon aus lauter Gewohnheit nichts ausmacht, die total abgebrüht sind. Darunter befinden sich auch richtige Sadisten, die selbst nicht davor zurückschrecken würden, andere zu quälen – egal ob Mensch oder Tier.

Alles hängt miteinander zusammen

Wenn man den Veganismus unter ethischen und moralischen Gesichtspunkten betrachtet, dann geht es darum, dass wir darüber nachdenken, wie wir mit anderen umgehen sollten. Was ist gerecht? Wie verhält sich mein Glück zum Glück oder auch zum Pech anderer? Welche Folgen hat mein Tun auf andere? Und was bedeutet es für mich und mein Leben?

Ich übertrage das auch auf andere Lebensbereiche:

Ist es zum Beispiel in Ordnung, dass ich mir Billigklamotten kaufe, wenn dafür anderswo auf der Welt Menschen – Frauen und Kinder – wie Sklaven in dunklen Hallen schuften?

Und wenn ich Nahrungsmittel mit Palmfett oder -öl in meinen Einkaufskorb legen möchte, muss ich wissen, dass dafür der Regenwald abgeholzt wird und bedrohte Arten ihren Lebensraum verlieren.

Tierversuche

Oder will ich irgendwelche (oft überflüssigen) Kosmetika benutzen, von denen ich genau weiß, dass dafür Tierversuche gemacht worden sind? Und das, obwohl es so viele Alternativen dazu gibt. Bei Arzneimitteln kommt zum Beispiel noch dazu, dass die Ergebnisse aus den oft gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen überhaupt nicht so einfach auf Menschen übertragbar sind. Das beste Beispiel dafür ist der Contergan-Skandal. In den 50er Jahren wurde das an Tieren getestete „Medikament“ Contergan schwangeren Frauen als Beruhigungs- und Schlafmittel empfohlen. Die Folge waren schwere Fehlbildungen der Babys. Im Tierversuch gab es sie nicht.
Tiere zu Unterhaltungszwecken

Oder muss ich mir Tiere in Zoos oder in Zirkussen anschauen, wo sie eben nicht artgerecht leben können? Ethisch motivierte Veganer sagen zurecht: Artgerecht ist nur die Freiheit. Warum stecken wir Menschen unsere Anstrengungen nicht in den Erhalt der natürlichen Lebensräume und -grundlagen dieser Tiere, sondern sperren sie -angeblich aus Artenschutzgründen – ein, um uns an ihnen zu ergötzen? Gerade Kinder, die als Freizeitbeschäftigung in Zoos oder Zirkusse gehen, bekommen ein ganz falsches Verständnis von den Tieren. Es ist schließlich „normal“, Tiere zur Schau zu stellen. Doch wenn wir ehrlich sind, sind Zoos nichts anderes als Gefängnisse (auch wenn die Zoobefürworter das anders sehen). Und die Tiere darin haben sich nichts zu Schulden kommen lassen.

Fleisch

Es geht mir darum, Rücksicht auf andere zu nehmen. Nichtmenschliche Tiere sind keine unbelebten Gegenstände. Sie sind leidensfähig.

Bei Fleisch ist es am offensichtlichsten: Es ist totes Tier. Ich finde es irre, da noch irgendwelche Labels draufzukleben, die behaupten, dass das Fleisch von „glücklichen Tieren“ ist. Mal abgesehen davon, dass das nicht stimmt, ist das Tier nicht freiwillig gestorben. Es ist gewaltsam getötet worden.

Milch und Milchprodukte

Die Milch, die die Menschen der Kuh wegnehmen, ist eigentlich dem Kalb bestimmt. Es ist ein Drüsensekret wie die Muttermilch für Menschensäuglinge. Seltsamerweise finden die meisten erwachsenen Menschen die Vorstellung eklig, Menschenmilch zu trinken – obwohl die nicht artfremd ist. Zurück zu den Kühen: Damit das Kalb das Euter nicht leer saugt, werden Mutter und Kind meist nach der Geburt getrennt. Das Kalb bekommt, wenn es überleben darf, Ersatzmilch und das Euter der Mutter wird an die Melkmaschine angeschlossen. Das ist ein brachiales Vorgehen, und in keiner Weise so „romantisch“, wie man sich das vorstellt oder wie es die Werbung den KonsumentInnen weismachen will.

Kühe geben auch nicht einfach so Milch. Auch sie müssen geschwängert werden und ein Kälbchen austragen, damit sie Milch „produzieren“. Das passiert in der Regel durch künstliche Befruchtung und gleicht eher einer Vergewaltigung. Beim Menschen wäre der Aufschrei groß. Und trotzdem hat die Kuh Muttergefühle für ihr Kind. Wir zerstören diese Verbindung. Doch die Leute sehen das nicht. Sie bekommen es nicht zu sehen. Verbraucher wissen nicht, was dort passiert. Selbst bei der Ammenhaltung auf Biohöfen muss man genau hinschauen: Hier gibt es zum Beispiel eine Kuh und fünf Kälber. Das heißt aber, vier anderen Kühen wurden ihre Kälber weggenommen. Und die fragen sich „Wo ist mein Kind?“

Auch auf andere Säugetiere können wir die tiefreichende Liebe und Sorge übertragen, die eine Menschenmutter für ihr Kind empfindet.

Eier

Ein anderes Thema sind Eier. In der modernen „Eierproduktion“ legt eine „Hochleistungshenne“ bis zu 320 Eier pro Jahr. Das Eierlegen ist anstrengend. Ob es weh tut, ist noch nicht untersucht worden, aber ich denke, wie können davon ausgehen, weil sich eine doch sehr kleine Öffnung stark weiten muss. Der Legeapparat der Henne ist für diese Akkordarbeit nicht ausgelegt, wodurch es oft zu Entzündungen kommt. Und auch den Küken nehmen wir ihre Mütter weg. Die Küken werden elektrisch in Brutschränken ausgebrütet, in Schubladen. In den riesigen Ställen laufen sie dann piepsend herum und rufen nach ihrer Mutter. Die Sterberate in den Aufzuchthallen ist groß. Meist sind es Hungertote, weil sie das industrielle Futter nicht finden. Normalerweise behütet die Glucke die Küken ganz rührend, führt sie überall hin – zu Wasser und zu Körnern.

All diese „Produkte“ werden von den Körpern der Tiere unter großen Mühen hergestellt.

Dung und Mist könnte man aber nutzen, weil das etwas ist, was die Tiere loswerden wollen. Alles andere geht jedoch nicht ohne Gewalt oder Belastung. Die Ausbeutung anderer Leben kann nicht „nett“ organisiert sein.

Tierschutz

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle auf die Unterschiede zwischen Tierschutz und Tierrechten eingehen.

Du kannst Tierschützer sein und trotzdem Tiere essen oder sie anderweitig „nutzen“. Beim Tierschutz geht es darum, dass es den Tieren in unserer Gewalt möglichst gut geht und sie „artgerecht“ gehalten werden. Wie sieht das aus? Nun, im Tierschutzgesetz ist festgelegt, was TierschützerInnen gegenüber der Agrarlobby politisch schwer erstritten haben, zum Beispiel, dass Ferkel nur mit Betäubungsmaßnahmen kastriert werden dürfen. Bei Legehennen dürfen die Schnäbel nicht mehr gestutzt werden. Und Schweine mit 100 Kilogramm Mastgewicht sollen mindestens 0,75 Quadratmeter Platz im Stall haben. Bei 0,9 Quadratmeter gibt’s das Deutsche Tierwohlkennzeichen. Und „Bio-Schweine“ dürfen sich auf 2,3 Quadratmeter ausbreiten.

Diese Zahlen sollte man sich einfach mal auf der Zunge zergehen lassen. Welcher Mensch möchte sein gesamtes Dasein auf einer Fläche in der Größe eines Einzelbetts verbringen? Das ist schlimmer als jedes Gefängnis. Aber „es sind ja nur Tiere“, nicht wahr? Beschäftigungsmaßnahmen für Schweine und, dass ein Huhn seinen Schnabel behalten darf – das sind Errungenschaften, die in Tierschutzgesetz und -verordnungen verankert worden sind und medial gefeiert werden.

Haben wir Menschen den Verstand verloren?

auf einem Lastwagen eingepferchte Schweine zum Verkauf

Auf einem Lastwagen eingepferchte Schweine warten auf ihren Verkauf

Tierrechte

Die Tierrechtsbewegung geht darüber hinaus und fordert Rechte für Tiere auf moralischer und politischer Ebene.

Auf moralischer Ebene fragen TierrechtlerInnen: Darf man Tiere töten, um sie zu essen? Sie finden es verwerflich. Denn willkürlich oder absichtlich dürfen wir Tiere nicht töten. Im Tierschutzgesetz steht das auch, aber „Tiere zu essen“ ist dort ein „vernünftiger Grund“. Wir wollen plausibel machen, dass Tiere eigene Individuen sind, mit einem Recht auf Freiheit und Unversehrtheit.

Doch es geht uns auch um politische Rechte. Denn wir haben die Tiere in unser Leben geholt, und müssen deshalb ihre Interessen wahren. Sie dürfen als Individuen nicht der Willkür anderer ausgeliefert sein. Wir können nicht sagen: „Du bist dafür da“, oder: „Du gehörst mir“. Wie kann ein lebendes Wesen Eigentum von jemandem sein, das man nach Belieben verschachern oder töten darf?

gefesselte Pfauen auf einem Markt zum Verkauf

Gefesselte Pfauen auf einem Markt

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

TierrechtlerInnen fordern Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für unsere Mitwelt, ganz im Sinne der Losungen der Französischen Revolution von 1789.

Tiere wollen und brauchen Freiheit. Da reicht es nicht, im Stall einen Fernseher aufzustellen, damit sie den Wald sehen können. Sie wollen selbst drin rumlaufen, ihn erforschen und auf Nahrungssuche gehen.

Bei der Gleichheit müssen wir uns fragen: Wollen oder können wir Menschen das? Wir machen zwischen uns und anderen Tieren riesige, kategorische Unterschiede. Hier klafft eine hierarchische Lücke, wenn wir sagen „es sind doch nur Tiere“. Das ist ganz großer Speziesismus. Viele TierrechtlerInnen fordern, zumindest diese krasse Ausbeutung abzubauen und sich bei einem „milden Speziesismus“ einzupendeln, bei dem Menschen auf „das Tier“ nur noch in Notsituationen zurückgreifen dürfen.

Die Brüderlichkeit sollten wir vielleicht eher Geschwisterlichkeit nennen. Viele von uns führen speziesübergreifende Freundschaften, auch wenn uns das nicht immer bewusst ist. Naheliegend ist zum Beispiel der Gedanke an die Freundschaften zwischen Mensch und Hund oder Mensch und Katze. Noch mal: Wir leben alle gemeinsam auf dieser Welt.

Speziesübergreifende Freundschaft zwischen Hund und Mensch

Wir sind Freunde: Bello und ich

Merkst du Unterschiede, seit du vegan lebst?

Ja. Ich bin weltoffener geworden, aber auch kritischer. Ich hinterfrage viel und beschäftige mich mit dem, wie ich lebe, was ich konsumiere und den Auswirkungen, die das hat.

Größere gesundheitliche Probleme, die auf die Ernährung zurückzuführen wären, habe ich nicht mehr. Allgemein fühle ich mich fitter als früher und rundum wohl. Alles, was wir essen, wird zu uns. Ich bin froh, dass mein Körper kein Friedhof für Tiere mehr ist.

Viele Menschen haben leider immer noch das Vorurteil, vegane Ernährung sei langfristig ungesund. Wie sieht es mit deiner Gesundheit aus?

Wie schon erwähnt, sieht’s gut aus mit meiner Gesundheit. Ich habe keine Mangelerscheinungen. Spaßeshalber habe ich nach etwa fünf Jahren Veganismus zum ersten Mal ein Blutbild anfertigen lassen. Dabei kam heraus, dass ich etwas wenig mit Vitamin B12 und Vitamin D versorgt bin, was auch der Grund ist, weshalb ich diese Vitamine zusätzlich zu mir nehme. Seitdem ist alles im Lot.

Aber ist es nicht bizarr, dass gesundheitliche Bedenken gegenüber einer rein pflanzlichen Ernährung oft von Menschen geäußert werden, die selbst kaum auf ihre Lebensweise achten und die noch nie ein Blutbild von sich gesehen haben? Dabei nehmen Menschen, die Tierprodukte essen, darüber allerlei Sachen auf, die ich nicht in meinem Körper haben wollen würde – zum Beispiel fremde Hormone, Antibiotika, Krankheitserreger, künstliche Zusatzstoffe, Farb- und Konservierungsstoffe usw. Von Fleisch und Milch weiß man heute, dass deren Konsum krebserregend ist.

Wenn ich einkaufen gehe, wundere ich mich immer, dass es Leute gibt, die NUR Fertigprodukte einkaufen und überhaupt nichts Frisches in ihrem Wagen haben. Doch auch diese Menschen leben noch. Denen ist ihre eigene Gesundheit egal. Aber wenn jemand vegan lebt und solche Menschen bekommen das mit, dann sind das oft die Ersten, die behaupten: „Vegan ist ungesund“ (es gibt übrigens einen sehenswerten Youtube-Kanal, der so heißt).

Über Gefühle von Pflanzen und VeganerInnen, die den Regenwald zerstören

Die Diskussionen nehmen solche Ausmaße an, dass behauptet wird, Pflanzen hätten auch Gefühle. Ja, selbst wenn das so wäre: Glauben die Menschen denn, das Tier auf ihrem Teller hat sich von Licht und Liebe ernährt? Wer vegan lebt, ist für viel weniger tote Pflanzen verantwortlich. Um zum Beispiel ein Kilogramm Rindfleisch zu erzeugen, muss das Tier erst mal 3,9 bis 9,4 Kilogramm Getreide essen, zwischen 15.000 und 16.000 Liter Wasser trinken. Die Zahlen kann man bei der Albert Schweitzer Stiftung nachlesen.

Das Tier stößt für die Produktion von einem Kilo Fleisch 22 Kilogramm CO2 aus, was etwa 110 Kilometer Autofahrt mit einem Mittelkasse-PKW entspricht (bei importiertem Rind aus Brasilien ist es mehr als das Zehnfache). Je Kilo Fleisch braucht man eine Nutzfläche von 27 bis 49 Quadratmeter vor alle für den Futteranbau. Übrigens wird das Soja, für das der Regenwald abgeholzt wird, hauptsächlich zu Tierfutter verarbeitet.

Das Soja, aus dem der Tofu und die Sojamilch hergestellt wird, stammt üblicherweise aus der EU.

Warum geht vegan sein über das Thema Ernährung hinaus?

Wie schon erwähnt, geht es beim Veganismus darum, Tierleid zu vermeiden. Auch über Tierausbeutung im Versuchslabor und zum Vergnügen haben wir schon gesprochen. Bekleidung war in diesem Interview noch kein Thema, aber es sollte klar sein, dass Tierhäute und Tierfelle – also Leder und Pelze – auch nicht ohne die Ausbeutung und den Tod von Tieren entstehen.

Vegan zu sein, hat auch gesellschaftliche Dimensionen. Wie eben bereits erwähnt, ist der Weg der menschlichen Nahrung über das Tier pure Lebensmittelverschwendung. Die Produktion tierischer Lebensmittel geht mit Land Grabbing, hohem Wasser- und Energieverbrauch sowie dem Ausstoß schädlicher „Klimagase“ einher. Wir können uns unsere bisherige Lebensweise eigentlich nicht mehr leisten. Für die Menschheit und ihr Überleben auf diesem Planeten wäre es besser, wenn wir uns rein pflanzlich ernähren würden, die ökologischen Kreisläufe erhalten und die Tiere möglichst in Ruhe lassen.

Veganismus und die Rettung der Meere

Ein gutes Beispiel ist die Fischerei. Es wird sich immer so viel über Plastik in den Weltmeeren aufgeregt. Der Großteil davon stammt aus der Fischerei, was den meisten nicht bewusst ist. Die Schleppnetzfischerei zerstört zudem die empfindlichen Korallenriffe. Und die von der EU subventionierte Fischerei in Westafrika lässt lokalen Betrieben keine Chance. Die Fischer, die dort ihre Familien ernährten, mussten zusehen, wie illegale Fischer aus dem Ausland „ihre“ Fischbestände plünderten. Das ist eine der Hauptursachen für die Piraterie vor Somalias Küste. Da ihnen der Fisch fehlt, jagen die Menschen vermehrt Wildtiere an Land, was große Probleme mit sich bringt. Denn das Buschfleisch scheint für Ebola-Epidemien verantwortlich zu sein. Zudem werden auf den Fischerbooten auch Sklaven gehalten, um Kosten zu sparen.

Die Ozeane erzeugen bis zu 85 Prozent des gesamten Sauerstoffs auf der Erde und sind die größten CO2-Senken unseres Planeten. Sie absorbieren jedes Jahr viermal so viel Kohlenstoffdioxid wie der Amazonas-Regenwald. Das Phytoplankton, das dafür verantwortlich ist, ist auf den „Dünger“ von den Fischen, Walen und Delfinen angewiesen. Wenn diese Tiere nun gewaltsam aus dem Meer „entfernt“ werden, kollabieren diese empfindlichen Kreisläufe. Alles hängt miteinander zusammen in dieser Welt. Nichts ist getrennt. Wer sich mehr für das Thema interessiert, dem lege ich den Film „Seaspiracy“ ans Herz.

Kinder vegan zu ernähren ist immer wieder ein Streitpunkt zwischen pro- und contra-vegan. Wie stehst du dazu bzw. wie setzt du das in deiner Familie um?

Meine Kinder wachsen von Geburt an vegan auf. Wir Eltern achten darauf, dass sie gesund, frisch und abwechslungsreich essen – viel Gemüse, Hülsenfrüchte (wie Sojaprodukte, Linsen,…), Obst, Getreide, Nüsse und Samen – und wir bereiten unser Essen nach Möglichkeit selbst zu.

Kritische Nährstoffe wie Vitamin B12 supplementieren wir. Es ist viel einfacher und bequemer, als die erdigen Möhren direkt aus dem Boden oder unseren Kot zu essen, um den Bedarf an diesem Vitamin zu decken. Ansonsten gibt es bei uns nur noch Vitamin D zusätzlich – das Sonnenvitamin, das vor allem durch die Sonneneinstrahlung in der Haut produziert wird. Die meisten Menschen in Europa scheinen zu wenig von diesem Vitamin zu haben. Das hängt also nicht unbedingt mit der Ernährung zusammen.

Den Bedarf an allen anderen Nährstoffen kann man problemlos auch über die vegane Ernährung decken. Es ist meiner Meinung nach wichtig, sich mit den Lebensmitteln auszukennen und zumindest ungefähr die vegane Ernährungspyramide im Hinterkopf zu haben. Wahre Nährstoffbomben sind Brokkoli, Grünkohl und Linsen, aber auch Wildkräuter. Es ist nicht verkehrt, wenn man sich mit denen ein bisschen beschäftigt. So lernen auch die Kinder essbare (und zusätzlich die giftigen) Pflanzen und Pilze unserer Heimat kennen.

Vegane Ernährungspyramide

Vegane Ernährungspyramide (Quelle: Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, 2018, CC-BY-4.0)

Fertigprodukte gibt es auch ab und zu bei uns, zum Beispiel vegane „Fleischersatzprodukte“, „veganen Käse“ oder „pflanzliche Milch“. Hier achten wir aber trotzdem auf die Inhaltsstoffe, den Hersteller und die Nachhaltigkeit der Verpackung. So mögen wir zum Beispiel kein Palmöl im Essen, von Nestlé muss das Produkt auch nicht sein. Von der Privatisierung des Wassers in Afrika durch den Konzern, zu dem zum Beispiel Nesquik und Kit Kat gehören, hast Du sicherlich schon gehört? Ein Unternehmen, das für den Profit über Leichen geht, will ich nicht unterstützen.

Veganismus: Wir belügen unsere Kinder nicht

Wir klären unsere Kinder darüber auf, wo ihr Essen herkommt und was alles darin steckt, und warum wir manche Sachen nicht essen. Das finden wir wichtig, damit sie eine eigene, fundierte Entscheidung aufgrund ihres Wissens treffen können.

Omnivore Eltern (also solche, die Fleisch, Milch, Eier usw. essen) lügen ihre Kinder an. Sie sagen zum Beispiel, das Huhn auf dem Teller wäre kein richtiges Huhn, es sei nur nachgebastelt. Sowas kommt wirklich vor. Diese Erwachsenen stehen im Gewissenskonflikt: Einerseits hat man ihnen selbst erzählt, dass Kinder Fleisch und mindestens die artfremde Kuhmilch dringend brauchen, damit sie gesund aufwachsen. Wie kann das, was seit hunderten oder tausenden von Jahren „normal“ ist, plötzlich falsch sein? Andererseits wollen sie ihre Kinder nicht mit den Grausamkeiten der Tierausbeutung konfrontieren. Videos, die zeigen, wie Menschen Tiere behandeln, werden mit einer Triggerwarnung versehen, weil man das den Kindern nicht zumuten mag, so abscheulich sind sie. Man meint, sowas darf nicht zu unserem Alltag gehören und darf keine Grundlage unseres Essens und Lebens sein. Das Leiden der Tiere und die Folgen des Konsums für die Gesundheit und die Umwelt werden ignoriert und verdrängt.

Es ist wie mit der roten und der blauen Pille im Film Matrix und die Frage, die sich daraus ergibt: Was ist langfristig die bessere Entscheidung? Und habe ich den Mut, mein altes Leben hinter mir zu lassen und den Sprung in den Kaninchenbau zu wagen?

Wie lässt sich der Veganismus in deinen Alltag integrieren? Gibt es Probleme, wenn du beispielsweise auswärts oder bei Freunden essen gehen willst?

Ehrlich gesagt: nein. Es gibt keine Probleme. Meine Freunde wissen, dass ich vegan lebe und sie akzeptieren das. Irgendwas gibt’s schon, was ich essen WILL („kann“ ist immer der falsche Ausdruck). Auch im Restaurant gibt man sich eigentlich immer Mühe, den Wünschen des Gastes zu entsprechen. Wenn das mal nicht der Fall ist, habe ich eben Pech und esse nichts. Das ist für mich nicht weiter wild.

Das vegane Leben ist für mich schon eine Selbstverständlichkeit. Ich wundere mich nur manchmal, dass wir VeganerInnen mit unserer Lebensweise teilweise immer noch als „exotisch“ gelten.

Ich hatte mal eine lustige Begegnung im Reformhaus. Dort unterhielten sich zwei ältere Frauen, weil sie ein Geschenk suchten. Eine der Frauen hob eine Teepackung an. Auf dem Objekt ihrer Begierde war das Vegan-Siegel abgebildet. Ihre Reaktion: „Vegan? Nee, sowas kaufe ich nicht.“ Und ich dachte mir so: „Hä?“ Dann nahmen sie sich das nächste Produkt: „Oooohr, auch vegan. Das gibt’s doch nicht!“ Ich vermute, den beiden war einfach nicht klar, was „vegan“ eigentlich bedeutet. Aus irgendeinem Grund scheint das bei manchen Menschen ein schlechtes Image zu haben, obwohl auch Kartoffeln, Tomaten und Wasser vegan sind.

Der militante Veganismus: Missionare und Moralapostel

Oft wird uns „Veganern“ vorgeworfen, wir wären missionierende Moralapostel. Ich würde das mal so stehen lassen. Viele VeganerInnen tun das, weil das, was sie gesehen haben, wirklich schlimm ist. Sie wollen das Leid und die Ausbeutung der Tiere lieber heute als morgen abschaffen und werden dann eben „militant“. Mich wundert es, dass sich omnivor lebende Menschen immer daran stören.

Wie so eine Diskussion aussieht, seht ihr in diesem Reaktionsvideo von Aljoscha:

Ich selbst bin davon abgerückt, andere „bekehren“ zu wollen, weil man nicht weit kommt. Nur, wenn es ein Gegenüber darauf anlegt und nachfragt, lege ich meinen Standpunkt dar – wie in diesem Interview. *zwinker*

Ansonsten denke ich, dass jeder selbst drauf kommen sollte. Nur so kann sich die Idee des Veganismus nachhaltig verbreiten. Wenn ich mit dem Wissen, das ich habe, mit jemandem diskutiere, der dieses Wissen nicht hat, dann ist die ablehnende Haltung vorprogrammiert. Was erwartet man? Die anderen leben eben noch in ihrer heilen Traumwelt, in der es den Tieren gut geht und sie totgestreichelt werden.

Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie gerade sind. Und einer 90-Jährigen müssen wir an ihrem Geburtstag keinen Vortrag mehr über Buttercremetorte halten.

Was hat sich eurer Meinung nach am meisten verändert? Ist das vegane Leben heute leichter?

Das Leben als Veganer kommt mir heute definitiv leichter vor.

Besonders freut es mich persönlich, dass gerade die Generationen nach mir überdurchschnittlich oft vegan oder zumindest vegetarisch leben wollen. Da ist also ein Funken Hoffnung auf eine bessere Welt für alle Erdlinge.

Die Lebensmittelindustrie hat das riesige Potential erkannt, das die vegane Bewegung mit sich bringt. Die ganzen „Ersatzprodukte“ gab es noch gar nicht, als ich vegan wurde. Wenn VeganerInnen heute noch einmal den Geschmack von „früher“ erleben wollen, werden sie schnell fündig. Es gibt täuschend echt schmeckende Chickenwings (nur ohne Knochen und mit leicht anderer Konsistenz) und einen Thunfisch (leider von Nestlé), der haargenau wie echter Thunfisch schmeckt.

Man findet im normalen Supermarkt oder Discounter veganen Käse, ganze Regale voll verschiedener Milch- und Joghurtalternativen, verschiedene Wurstsorten und Aufstriche, Burger mit Fleischkonsistenz und -geschmack oder auch vegane Gummibärchen, veganen „Honig“ oder Karamellbonbons.

Findige Menschen haben Rezepte für „vegane Leberwurst“, „veganen Matjessalat“ oder „veganen Eiersalat“ entwickelt und öffentlich ins Netz gestellt, die vom ausbeuterischen Original nicht zu unterscheiden sind. Wenn wir den Geschmack all dieser Dinge vermissen, können wir uns heute einfach an einer reichhaltigen Auswahl bedienen und müssen kein schlechtes Gewissen haben. Und das betrifft jetzt nur Lebensmittel.

Man findet selbst bei den Kosmetika und bei Kleidung immer mehr vegane Alternativen. Ich denke, die Zielgruppe für Unternehmen, die sowas anbieten, wird weiter wachsen und wir werden in Zukunft noch große Innovationen in diesem Bereich sehen.

„Vegan“ ist nicht immer vegan

Man muss nur aufpassen; denn nicht überall, wo „vegan“ drauf steht, ist auch vegan drin. Ich möchte zur Erklärung noch mal das Palmöl aufgreifen: Dadurch, dass hier Regenwald vernichtet wird und Tiere wie die Orang Utans ihren Lebensraum verlieren, kann man solche Produkte eigentlich nicht als vegan bezeichnen.

Auch ist vegan nicht gleichzusetzen mit gesund. Vor allem bei Fertigprodukten lohnt es sich also, genauer hinzuschauen. Man muss nicht alles kaufen, nur weil „vegan“ drauf steht.

Viele behaupten, vegan zu leben sei teuer. Stimmt das?

Es stimmt schon: vegane Alternativprodukte haben ihren Preis, sofern man sie nicht selber macht. Doch wenn man sowas ganz selten kauft, oder nur, wenn es im Angebot ist, kann man bei „veganen Produkten“ sparen. Beschränkt man sich vor allem auf das Wesentliche – Grundnahrungsmittel – und nimmt die Zubereitung seiner Speisen mit frischen Zutaten selbst in die Hand, ist das Einsparpotential gegenüber Menschen, die sich omnivor ernähren, größer. Wir können also sagen: „Es kommt darauf an.“

Ich kann mir mit 100 Euro den Einkaufswagen mit Kartoffeln, Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten bis oben hin vollstapeln oder habe darin nur einige wenige Fertigprodukte liegen. Ich kann so pauschal also nicht für alle VeganerInnen sprechen. Wir leben als Familie vergleichsweise preiswert, obwohl wir nach Möglichkeit Bioprodukte kaufen.

Was vielleicht noch wichtig ist: Für die veganen Labels bezahlen Unternehmen Geld, was die Produkte teurer macht.

Darüber hinaus werden Pflanzen-Drinks nicht wie Kuhmilch mit sieben Prozent Mehrwertsteuer besteuert, sondern mit 19. Gerade bei der Ernährung wird extremer Lobbyismus betrieben. Und der ist zweifellos eines der größten Probleme unserer Zeit. Hersteller von veganen Produkten dürfen sie zum Beispiel nicht SojaMILCH nennen, sondern nur Soja-Drink. Auch die Bezeichnungen „veganer Käse“ oder „Alternative zu Käse“ sieht die Milchlobby gar nicht gern. Weil hier Gelder fließen, folgt die Politik der Argumentation der Lobby. Die Verantwortlichen halten die VerbraucherInnen offenbar für besonders dumm. Über Scheuermilch regen sie sich übrigens nicht auf.

Was würdest du Leuten raten, die mit dem Gedanken spielen, vegan zu werden? Hast du irgendwelche Tipps für den Start?

Hat man einmal die Entscheidung getroffen, vegan zu „werden“ oder zu bleiben, helfen einem Kontakte zu Gleichgesinnten. Egal ob online oder offline – manchmal tut es einfach gut, sich nicht als alleiniges Alien zu fühlen. Dann kann man sich überlegen, wie man auf dumme Sprüche der Mitmenschen reagieren möchte. Ignorieren, freundlich bleiben oder selbst ein paar gute Sprüche auf Lager haben, um zu kontern.

Ansonsten darf man sich bei Zweifeln immer wieder selbst daran erinnern, dass man nicht nur etwas Tolles für seine Mitgeschöpfe und den Planeten tut, sondern auch für den eigenen Körper. Denn der belohnt einen mit Gesundheit und einer fitten Figur bis ins hohe Alter hinein.

Falls jemand noch den Kühl- und Vorratsschrank voll mit tierlichen Produkten hat und nicht weiß, was er damit machen soll: Es findet sich immer jemand, der sich darüber freut.

Und wer Argumente gegen die Tierausbeutung sucht, dem kann ich die Veganissimo-Reihe empfehlen, insbesondere Veganissimo 2. Das war eine der ersten Websites, die mir sehr geholfen haben.

Für mich war die Entscheidung für das vegane Leben eine der besten Entscheidungen, die ich nur treffen konnte.

Was denkt ihr zu dem Thema? Schreibt es uns gern in die Kommentare!

Ich wünsche euch eine schöne Zeit!
Patrick

PS: Wenn euch der Beitrag gefallen hat, teilt ihn gern mit euren Freunden. Außerdem freuen wir uns über jeden Energieausgleich.

(Titelbild von Simon Berger auf Unsplash)

 

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