Liebe Freundinnen und Freunde,

gerade frage ich meinen Freund Google, ob Bloggen noch zeitgemäß ist und zu welchen Themen ich mal wieder die Finger über die Tasten schwingen könnte, da piepst das Handy. „Wo seid ihr momentan?“ und „Was macht ihr gerade?“ Auf Instagram und Telegram werde ich wieder an mein unerfülltes Vorhaben für dieses Jahr erinnert, regelmäßig Updates zu posten. Ich zeige vielleicht nur hin und wieder etwas Bastelkram, aber nichts aus unserem Leben. Aus mir wird wohl nie ein cooler Infaulenzer. :-D

Das „alleinerziehend“ in der Überschrift täuscht. Das bin ich nämlich nicht wirklich. Nur zeitweise. Die Vermutung bei so einem Wort, dass der Haussegen schief hängen könnte, lässt sich trotzdem nicht bewahrheiten. Alles in Butter. Und trotzdem wissen Patrick und ich jetzt, wie es ist, alleinerziehend zu sein.

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Seit fünf Jahren unternehmen wir regelmäßig längere Reisen. Wir halten den Schulbesuch nicht für zwingend notwendig und schirmen die Kinder davon ab. (Wieso, weshalb und warum lest ihr hier.) Weil Unschooling in Deutschland nicht legal ist, haben wir mit dem Reiseleben mit zwei offiziellen Ab-und-zu-Wohnstätte in Rumänien und im Erzgebirge eine für uns machbare Alternative gefunden. Bis letzten Herbst waren wir immer als ganze Familie unterwegs. Nur bei Ausflügen im Ausland schnupperte ich mehr und mehr in den Alltag ohne Partner hinein, wenn Patrick, der Papa, in unserem Ferienhaus blieb und den PC samt Papierbergen und sonstigen Arbeiten hütete. In den abgelegensten Dörfern, an den Stränden, in vollen Einkaufspassagen – ich bekam stets Hilfe, wenn ich mit den Kindern allein unterwegs war. Darüber bin ich heute noch froh, denn ich gehöre eher zu den ängstlichen Menschen, die schnell unsicher werden.

Letzten Herbst bot sich die Gelegenheit, zusammen mit meiner Schwester und unseren Kindern zu verreisen. Mit manchen Freundinnen hatte ich diesen Plan schon ad acta gelegt, weil ich es mir mit meiner Kinderschar bei anderen nicht verderben wollte. Also ließen wir unseren Papa in Deutschland und baten ihn, sich um Haus und Tiere zu kümmern.

Hund im Bett

Es waren zwar nur knapp zwei Wochen und ich hatte die Unterstützung meiner Schwester. Dennoch sah ich diese Reise als kleine persönliche Übung für mein künftiges Reiseleben ohne Ehemann. Schließlich hatte ich mich in den letzten zehn Jahren bei allem Organisatorischen auf ihn verlassen, während Kinder, Haushalt und das Arrangieren sozialer Verbindungen nach außen meine Hauptaufgaben waren.

Im Januar war es wieder soweit, dass die „genehmigte Zeit“ unserer beiden großen Kinder in Deutschland um war. Diesmal blieb ich mit den beiden Jüngsten zu Hause. Dafür unternahm mein Mann Patrick mit unseren 11- und 9-jährigen Töchtern eine Bildungsreise. Wir kamen alle gut zurecht. Ich witzelte darüber, dass es sich für mich wie Urlaub anfühlte. Das lag einfach daran, dass es mit unseren beiden Jungs (sechs und vier Jahre alt) ziemlich ruhig war. Persönliche Freizeit hatte ich trotzdem nicht. Wenn alle Aufgaben an einem haften und man für alles selbst zuständig ist, kann es schon vorkommen, dass man abends gleich nach dem Sandmännchen ins Bett fällt. Was mir in dieser Winterzeit als Alleinerziehende geholfen hat: Ich hatte einen tollen Einkaufsservice. Denn im Gegensatz zu Patrick gehe ich in Deutschland gar nicht gerne einkaufen.

Lebensraum Teich AuerochseKrippe zur WeihnachtszeitAuerochse Müll als Lebensraum im Naturkundemuseum Schnee-Engel

Basteln mit Kindern Weihnachtsstimmung mit Hund

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Wir wussten, dass diese Aufteilung in ein Elternteil plus zwei Kinder wahrscheinlich die letzte Reise sein würde. Die bevorstehende Einschulung unseres Sechsjährigen erlaubt uns diese Konstellation nicht mehr. Nun, am einfachsten wäre es, nicht immer nach Kompromissen suchen zu müssen. Aber die Katze, der Hund und schließlich der ausbleibende Lottogewinn zwingen uns dazu.

Hund und Katze

Weil unsere beiden noch nicht schulpflichtigen Kinder in Deutschland gemeldet sind, nahmen wir letzten Monat die Schuleingangsuntersuchung wahr. Wer die kennt, dem kommt vermutlich wie mir gerade etwas Kotze hoch. Das war jetzt sehr nett ausgedrückt. In den letzten zwanzig Jahren (also seit ich beruflich mit Kindern, Eltern und Pädagogen zu tun habe) kenne ich unzählige Geschichten über die inkompetenten „Kinderhasser von Amts wegen“. Wir waren bereits durch die Untersuchungen unserer beiden Mädchen vorgewarnt, dass auch unser ältester Sohn taub oder gehbehindert sein würde. Unser Großer ist nun nach Auskunft des Gesundheitsamtes zwar nur etwas taub, dafür blind wie ein Maulwurf.

Versteht mich nicht falsch, ich bin für ärztliche Untersuchungen. Aber nicht, wenn sie von Leuten durchgeführt werden, die weder lächeln noch gewaltfrei und freundlich mit Kindern sprechen können. Als mein Bub nun im Untersuchungszimmer stand, schon ziemlich eingeschüchtert von der Krankenschwester, die sich aufführte wie die allererste Praktikantin (in einem KZ), sollte er die Symbole an der Wandtafel erkennen. Da er schon ein bisschen lesen kann, nahm er an, dass er so etwas wie „Mimi am Zaun“ oder „Oma mit Opa“ vorlesen sollte. Also antwortete er, er könne das nicht lesen. „Blind!!!“, schrieb die Krankenschwester auf den Test, den die Amtsärztin ohne Nachkontrolle so hinnahm. Dabei staunte diese immerhin, wie fein und akkurat der Junge zeichnete, zählte und sprang.

Ich ärgerte mich im Stillen und konnte nachts nicht schlafen, bis ich meinen Ärger – selbstverständlich höflich und gewaltfrei – in einem Brief niederschrieb. Am nächsten Tag gab mir eine Augenarzthelferin unseres Wohnortes einen Termin für September. Lachend und all meinen Kummer nehmend, versicherte sie mir, dass ständig „blinde“ Kinder von den Amtsärzten geschickt würden. Noch nie hätte der Arzt das bestätigt. Aha, denke ich. Dann wird es also genauso sein wie mit all den tauben Kindern, deren Taubheit die HNO-Ärztin unserer Stadt auch nie bestätigen wollte.

Neben dem Termin beim Augenarzt haben wir in diesem Jahr noch einige andere Termine im In- und Ausland. Wir planen unsere Reisen im Idealfall so, dass wir alles möglichst gut miteinander verbinden können.

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Unser nächster Termin, eines unserer Mädchen muss zum Kieferorthopäden, wäre Ende Mai. Solange bin ich in Ungarn, wieder „alleinerziehend“ mit allen vier Kindern und ohne Papa. Ich bin stolz auf mich, dass ich die 700 Kilometer alleine am Steuer schaffte. Mit der Geburt des ersten Kindes hätte ich theoretisch meinen Führerschein abgeben können, so selten fuhr ich in den letzten elf Jahren. Aber nun waren wir in einem netten kleinen Ort mit allem, was wir brauchten. Vor allem hatten wir Platz. Platz zum Toben, zum Krachmachen, zum Leise-Sein, zum Kind-Sein, zum Entspannen, zum Sorglos-Sein. Und ich stellte fest: Ich schaffe das, allein mit den Kindern. Wir fanden schnell Kontakt zu anderen. Wir besuchten Nachbarn, wurden zu Partys eingeladen, bekamen neue Freunde.

Geschwister auf PfostenMorgendlicher Medienkonsum Rührtofu kochen Ungarisches Bettenlager Raum zum Spielen

Friede, Freude, Eiersatzkuchen oder Drei Situationen, in denen ich nicht gern allein war

Polizei oder doch lieber mündlich verhandeln

Allerdings gab es auch richtige „Unix“-Tage. (Lotta aus der Krachmacherstraße nach Astrid Lindgren nennt so die Unglückstage.) Zum Beispiel haute der Hund ab, den wir dort sitten. Zwar half uns ein Nachbar, den Frechdachs wieder einzufangen. Dafür warf eine andere Frau alle Schimpfwörter aus der Sammlung Tourettkranker um sich wie ein Karnevalsumzug mit Süßigkeiten und Konfetti. Diese Frau, eine Deutsche, machte das Treiben erst so richtig verrückt und wollte uns die Polizei auf den Hals hetzen. Die Ausreißer-Geschichte ging glimpflich aus. Wohl dank der ungarischen Nachbarn, die nichts von deutscher Überkorrektheit haben.

Müder Hund Mit dem Malinois unterwegs Ein geduldiger Malinois Der kleine Ausreißer-Hund

Unfälle mit Kindern

Eine andere doofe Geschichte, bei der ich gerne nicht alleine gewesen wäre, passierte am Balaton. Als Mami von Kindern, die noch nicht sicher schwimmen können, schließt sich Me-Time sowieso aus. Glücklicherweise lockte das Wasser noch nicht mit Badetemperaturen. Ich bildete mir tatsächlich ein, einfach mal abzumatten, während die Kinder am Spielplatz turnten. Knall und Geschrei ließen mich nach wenigen Minuten hochfahren; eine Reihe Mülleimer hatte meinen Jüngsten begraben. Für tiefe Schnitte, Verbrennungen und Atemwegsverstopfungen bin ich recht gut ausgestattet. Aber bei eventuellen Knochenbrüchen beklage ich stets mein ausgebliebenes Medizinstudium. Die Füße und Beine wickelte ich also in feste Verbände. So trug ich den Kleinen eine Weile, bis der schlimmste Schmerz verflog. Ich entschied mich gegen eine Fahrt ins Krankenhaus. (Denn das Auto sollte in die Werkstatt und ich wäre auf die Öffentlichen angewiesen, der Vierjährige hätte allein in der Klinik bleiben müssen, für die anderen Kinder gäbe es so schnell keine Betreuung …) Stattdessen begutachtete ich später die blauen Flecken mit ein paar Nachbarn und ließ mich beruhigen. In Deutschland und nicht alleinerziehend hätte uns meine Angst ziemlich schnell in die nächste Notaufnahme getrieben. Einige Tage später gab’s nochmal Entwarnung vom Fachmann: Ein deutscher Chirurg schaute sich die zarten Kinderbeinchen an. Er hätte nicht mal Röntgen für wichtig erachtet.

Pappelpollen wie Schnee Balaton im April Balaton im April Verletzter und versorgter Kinderfuß

Autopannen im Ausland

Diesmal waren wir nicht mit unserem alten, aber treuen VW-Bus unterwegs. Weil wir ja nur zu fünft waren, fuhren wir mit einem geliehenen Auto, das in Ungarn TÜV bekommen sollte. Soweit hat das auch alles gepasst. Dann kam unser Abreisetag bzw. Unixtag Nummer drei. Frühs ging’s los. Die Routen zur Navigation waren geladen, die Maut für Slowakei und Tschechien bezahlt. Wir hatten einen echt coolen Trip durch Ungarns schönste Landschaften. Dann gab das Auto seinen Geist auf. Ungünstigerweise mitten auf einer Schnellstraße, von der das Auto, geschützt vor einen achtsamen LKW, noch einen letzten Kilometer bis zu einer kleineren Straße hoppelte. Dort bat ich den ersten Menschen, den ich traf, einen Traktorfahrer, mir einen Abschleppservice zu rufen. So wurde unser Tag noch sehr aufregend. Welcher Junge träumt nicht davon, mal mit dem Abschlepper zu fahren? Wir nahmen’s jedenfalls positiv, unterhielten uns super mit dem freundlichen Fahrer und genossen die Hilfsbereitschaft. In der Autowerkstatt tauschte man die Dieseleinspritzdüse – an einem Freitagnachmittag. Geschafft, aber froh, dass alles gut ging und repariert wurde, versanken wir abends in unseren Betten. Natürlich in unserem bisherigen, ungarischen Lager, das wir wieder angesteuert hatten. So nutzten wir nochmal einen weiteren Tag zum Ausschlafen und Ausspannen, um die Strecke von Ungarn nach Deutschland ohne Zwischenfälle zu schaffen.

Auto wird abgeschleppt

Memo an mich selbst

Habe ich irgendwas aus den Reisen mit Kindern ohne Mann gelernt? Das Wichtigste wird sein, nie mehr ohne mobile Daten zu reisen. Genau das fehlte mir nämlich, weil unsere Internetverbindung zu Hause blieb. Deshalb sah ich immer zu, mich irgendwo ins WLAN einzuwählen. Wenn nichts weiter ist, mag das kein großes Problem sein. Mit liegengebliebenem Auto wird’s allerdings zu umständlich.

Frauen und Müttern wird (gern) geholfen

Mich treibt es häufig in die Ferne, aber mein Reisefieber ist stets etwas von Bammel begleitet. Was ist, wenn was ist? Was mache ich, wenn ich nicht weiter weiß? Meine Erfahrung im Ausland (ich spreche nicht nur von Ungarn) zeigt, dass Frauen gerne geholfen wird. Sogar mitten auf der Autobahn während einer Zollkontrolle, um nach einem mautfreien Weg zu fragen. In der Autowerkstatt findet sich plötzlich ein Mitarbeiter, der fließend Englisch spricht. Sind Kinder dabei, werden alle umso freundlicher (zumindest erscheint es mir so, bis auf ein paar brummige, deutsche Boomer). Plötzlich bietet einem jemand an, einen Blick auf die Kinder am Strand zu werfen, damit man sich in Ruhe umziehen kann. Oder der Tankwart winkt die Kinder unter der Bezahlschranke durch, damit sie auf die Toilette gehen können. Beim Stadtbummel macht einem ein Passant ein Kompliment, wie toll man mit den Kindern umgeht.

Genau diese kleinen Geschichten machen mir Mut für zukünftige Reisen. Man hat einen Mund, den man aufmachen kann. Oder eine Hand, um mit Deepl Translate etwas nachzufragen. Allein mit Kindern zu reisen ist für mich nun kein Ding der Unmöglichkeit mehr.

Was ist mit Gewalt?

Opfer von Überfällen oder Gewalt wurden wir übrigens noch nie. Mein Vorteil als reisende Frau ist eben, dass ich vier süße Kinderchen habe und selbst nicht zu heißen Fegern mit Topmodelfigur gehöre. Aus Schutz vor Anmachen trage ich in arabischen Ländern vielleicht regelmäßiger einen Ehering. Oder, wenn Taxifahrer nerven, ein Kopftuch. Eingeschüchtert oder bedroht habe ich mich noch nie gefühlt. Und so richtig blöd ist mir eigentlich nur ein einziges Mal eine Frau in Montenegro gekommen, weil ich unwissentlich auf einem eventuellen Privatweg spazierte. Und natürlich in Deutschland, weil die Kinder Kinder sind. Doch sowas kompensiere ich mit geschwinden Kofferpacken für ein nächstes Reiseziel.

Wo liegen für euch die Hürden beim Reisen als Alleinerziehende(r)? Oder seht ihr inzwischen die angenehmen Dinge des Reisens ohne Partner(in)? Gibt es Ziele, die man besonders gern ansteuern oder vermeiden sollte? Ich freue mich über alle Tipps und Kommentare.

Viszlát, eure Evelin!

CC BY-SA 4.0 Kleines Lebensupdate: Allein(erziehend) mit Kindern auf Reisen von Free Your Family ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.