„Hurra, ich bin ein Schulkind …“ Liebe Freunde des selbstbestimmten Lernens, dieses „Hurra“ solltet ihr hören! Mein „Hurra“ klingt wie ein jaulender Welpe, wie eine fiepende Flöte oder ein zittriger Leierkasten. Hingegen wird das „Hurra“ meiner Siebenjährigen seiner Bedeutung gerecht.

Eigentlich steht bei mir ein Blogartikel in den Startlöchern, wieso meine Kinder nicht zur Schule gehen sollen. Doch nun muss ich etwas Aktuelleres schreiben. Seit dem „Hurra“ ahnt ihr es vielleicht: Meine große Tochter, mein Freilerner-Kind, das bis zum heutigen Tag weder Kindergarten, Homeschooling oder irgendeine andere Form der „Lehr-Unterweisung“ kennt, will in die Schule gehen.

Reisen in der Pandemie oder wohnen im Nachbarland?

Die Geburt des vierten Kindes und Corona haben uns nach Deutschland gebracht. Ich ermöglichte meinen Kindern weiterhin, sich selbstbestimmt zu bilden – frei vom „Schulzwang“.

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Das Reisen durch Europa ist beschränkt. Oder sagen wir besser: Es wird vom Fiebermessen abhängig gemacht. Und von einem auf den anderen Tag können Staaten wieder ihre Grenzen schließen.

Lange haben wir „unsere Lösung“ für mehr Freiheit ersonnen: Wir wollten vorläufig als Grenzgänger leben. In einem Land wie Tschechien, in dem es die „Schulgebäude-Anwesenheitspflicht“ nicht gibt, sollte unser Häuschen stehen. Die Arbeit und die Familie wären nur einen Katzensprung über die Grenze entfernt.

Freilernen aus Überzeugung

Vor wenigen Tagen besuchten wir ein großartiges Freilerner-Camp. Ich finde, man merkt immer schnell, wie „anders“ die Kinder dort ticken. Ausgrenzung, Mobbing, Sticheleien, „Teenie-Allüren“ – all das sucht man vergebens. Das harmonische Miteinander unter den jungen Menschen jedweden Alters macht mich jedes Mal baff. Es stärkt das Leben ohne Beschulung.

Meine große Tochter stellte am Abend unserer Rückkehr fest: „Auf Freilerner-Kinder muss man viel weniger aufpassen. Die Mamas von anderen (beschulten) Kindern sind viel strenger: ‚Bleib hier!!!‘ Freilerner-Kinder fragen nie nach dem Alter. Andere fragen: ‚Bist du sieben? Oder acht? Oder neun?‘ Bei Freilernern ist das egal. Wir spielen einfach mit allen und grenzen niemanden aus.“

Schwungtuch-Spiel beim Freilerner-Treffen

Und dann passiert das:

„Ding dong. Schön‘ guten Tag! Ich bin Fräulein Unplanbar … Was macht ihr, wenn euer Freilerner-Kind eines Tages in die Schule gehen will?“

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Es gibt Eltern, die ihr Kind in die Schule zwingen. Und es gibt Eltern, die ihrem Kind die Schule verbieten. Wie finde ich den Mittelweg?

Wieso will mein Kind zur Schule?

Kann es sein, dass unser Mädchen in die Schule will, weil …

  • die Cousinen und die Freunde zur Schule gehen?
  • wir dank des Virus, in der Zeit des Lockdowns, nahezu völlig auf Museen, Spielplätze, Konzerte und das Planetarium verzichten mussten?
  • die Eltern, Großeltern und befreundete Hebammen (ihr Traumjob) auch in die Schule gingen?
  • es unbewusst von ihr erwartet wird (zum Beispiel von der Verwandtschaft)?
  • ihr die Frage „Gehst du schon in die Schule?“ auf den Zeiger geht?
  • sie mitreden will, wenn ich über das selbstbestimmte Lernen und die Schule debattiere?

Genau kann es meine Tochter nicht sagen. Es ist wohl eine Mischung aus allem. Die Frage, wie ich damit umgehe, bleibt.

Was mein Kind in der Grundschule erwartet

Unsere Große ist aufgeschlossen, interessiert und neugierig – wie die Schule sich die Kinder wünscht. Und die Lehrer der Grundschule erwarten von den Kindern nicht, dass sie sich länger als zehn Minuten auf einen „Lern-Gegenstand“ konzentrieren. Es würden sogar Bewegungs-Spiele eingebaut werden. Und am Ende des Tages würden die Kinder nach Hause kommen und auf die Frage, was sie heute gemacht haben, antworten: „Wir haben gespielt!“

Aber, so meint die Grundschule weiter, ein Kind muss auch „zurückstecken“ können.

Vor Strafe, Lob, Bewertung, Stillsitzen, Fremd-Kontrolle und Bevormundung will ich meine Kinder unbedingt bewahren. Ich weiß noch aus meiner Schulzeit, dass die Lehrkräfte in der örtlichen Grundschule durchsetzen, was sie wollen. Selbstbestimmung ist ein Fremdwort. Meine Tochter weiß das. Die Nachbarskinder wissen es. „Probier das nicht aus! Schule ist doof!„, raten sie ihr. Sie will trotzdem hin.

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Ich akzeptiere ihre Entscheidung. Statt diese schlecht zu reden, unterstütze ich sie so:

1. Schultüte zur Sensibilisierung

In wenigen Tagen ist Einschulung. Eine Astronauten-Zuckertüte steht parat. Eine weitere – ohne Raumfahrer – für die Lehrerin. Unsere kleine Astronautin bekommt eine bunte Füllung. Und die Lehrerin  eine dünne, kurzweilige Lektüre, durch die sie einen Blick in alternative Konzepte im Umgang mit Schülern festigen kann. Es soll ein Geschenk von Herzen werden, und keine Demütigung.

Meine Empfehlung:

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Wie und warum lernen Kinder? André Stern schrieb dieses „leidenschaftliche Manifest für ein Umdenken im Bildungssystem“

Und für Eltern:

Schülerjahre: Wie Kinder besser lernen
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Remo H. Largo zeigt, wie die Schule sich am einzelnen Kind orientieren kann. Er fordert „ein neues Verständnis von Schule, in der Kinder unterrichtet werden und nicht nur Fächer.“

2. Wertschätzung statt Verhaltens-Ampeln

Kennt ihr diese kleinen Hilfs-Kärtchen und Poster an den Schulwänden, auf denen steht, wie sich die Schüler zu verhalten haben? Es gibt unzählige, schreckliche Sprüche, die an eine Haftanstalt erinnern: „Tu dies nicht, tu das nicht, mach immer schön brav das, was von dir verlangt wird.“ Wie wäre es stattdessen mit ermutigenden Sätzen, die jede und jeden im Klassenzimmer wertschätzen? Ich finde, wir dürfen davon ausgehen, dass Menschen im Grunde gut sind und nicht mit Regeln überhäuft werden sollten.

Schöne Ideen dazu zeigt Daniela in ihrem Blog „Ideenreise“. Ich glaube, eine Lehrerin wie sie wünschen sich viele Schüler.

3. Ungerechtigkeit ansprechen – Gespräche mit den Lehrern suchen

Ich werde nicht darauf warten, bis sich Kinder mit ihrer scheinbar ausweglosen Lage abfinden. Den „Lern-Stoff“ kann ich nicht abwenden. „Verhaltens-Maßnahmen“ hingegen schon. In der Ecke stehen war früher. Heute sind es Bestrafungen und öffentliche Bewertungen. Bestimmen sie den Schulalltag, greife ich bestimmt nicht nur zum Telefon, sondern auch zur Klinke der Lehrerzimmertür.

Hier die Eindrücke vom Tag der offenen Tür, die ich sehr traurig finde:

Ampel zur öffentlichen Bewertung / Bestrafung von Schülern

Strafen in der Grundschule

4. Zum Kind stehen

Beim ersten Elternabend rief die Direktorin alle Eltern auf, künftig zur Lehrerin und zu den Entscheidungen der Schule zu stehen. Kinder würden zum Beispiel bei einem Streit nur sich ganz alleine sehen (sie könnten noch nicht anders) … Ähm, nein. Wie sagte meine Freundin so schön: „Ich werde zu den unangenehmen Eltern gehören, die nicht einfach alles hinnehmen.“ Wie praktisch für mich! Da sind wir an dieser Schule zumindest schon zu zweit! :-)

Was die Selbstbestimmung in Schulen angeht, haben Kinder keine Rechte. Sie sollten aber eine Lobby haben: Eltern, die hinter ihnen stehen! Früher sagte man mir oft: „Oh, du bist Mama von Freilernern. Das finde ich mutig.“ Ich entgegnete: „Eltern von Schulkindern sind doch die Mutigen. Sie müssen sich mit den Lehrern auseinandersetzen. Ich nicht.“

Ich fände es am besten, wenn sich zwischen Eltern, Lehrer und Kind ein Verhältnis entwickelt, das auf Respekt, Vertrauen und Würde beruht – vielleicht sogar Freundschaft. Man kann über alles reden und Lösungen finden, mit denen alle Beteiligten glücklich sind.

5. Eine Lösung zum Freilernen finden?

Ich hoffe, dass das „Ausprobieren“ ein schnelles Ende hat. Bis dahin gilt es für mich, mutig zu sein. Ich werde mutig genug sein, um aufzustehen und zu zeigen, was ungerecht ist. Vielleicht darf ich wider Erwarten relaxt feststellen: Schule ist gar nicht so schlecht und dient nicht als Erziehungsanstalt.

Manche Kinder, die dieses Jahr nicht in die Schule wollen, haben bereits Lösungen gefunden. Hier sind ein paar davon, die bei manchen Familien funktionieren. Ich erwähne sie, weil wir immer wieder danach gefragt werden. Sie …

  • haben ein ärztliches Attest aufgrund der Corona-Pandemie.
  • leben abgemeldet in Deutschland und „verstecken“ sich (was aber abhängig vom Umfeld ist).
  • sind im Ausland gemeldet oder wohnen im Ausland.
  • reisen ohne Wohnsitz dauerhaft mit ihren Familien.
  • bekamen eine Fernschule, wie Clonlara, genehmigt.
  • lassen sich auf Bußgelder und den einen oder anderen Rechtsstreit ein.

Mehr dazu könnt ihr beim Bundesverband natürlich Lernen! e. V. oder in persönlichen Geschichten, zum Beispiel in dem Buch „Wir sind so frei“, nachlesen.

Diese „Lösungen“ spiegeln jedoch nicht wieder, dass ich mit meinem kritischen Blick bezüglich der Maßregelungen gegenüber Schülern meinem Kind unbewusst weitergebe, Schule sei im Grunde schlecht.

In ein paar Wochen stimme ich mein „Hurra“ erneut an. Mal hören, ob es dann immer noch wie ein zittriger Leierkasten klingt.

In welchen Tönen könnt ihr als (frei-lernende) Eltern zu dem Thema pfeifen? Lasst es mich in den Kommentaren wissen.

Eure Evelin

 

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