Plötzlich blindWeil dieser Artikel starke Emotionen hervorrufen kann, sei hier gesagt: Er ist nichts für schwache Nerven. Und er hat ein gutes Ende.


Ich liege in unserem Familienbett. Meine zwei Mädchen plaudern ein bisschen, stellen Fragen. Patrick schläft, wie das bei müden, geschafften Papas nun mal ist, als Erster ein. Er schnarcht leise, was eine beruhigende Wirkung auf unsere Kinder hat.

Unser fünf Wochen altes Baby ist noch regsam. Damit ich es nachts abhalten kann und dabei genügend sehe, liegt eine Stirnlampe in unserem Bett. Deren Akkus lassen sich über den USB-Anschluss des PCs aufladen. Ich prüfe, ob die Stirnlampe noch „Saft“ hat und an geht. Klick. Klick, klick. Es bleibt dunkel. Nur der Mond scheint sacht durch die Dachfenster in unsere Wohnung.

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Ich stehe auf, um ins Arbeitszimmer zu gehen und mein Nachtlicht für ein paar Minuten aufzuladen. Neben der Tür betätige ich den Lichtschalter. Mist, da ist wohl die Glühbirne durchgebrannt! Ich drücke nochmal prüfend auf den Schalter. Tatsächlich!

Na ja, nichts zu machen! „Da muss morgen die Birne gewechselt werden“, denke ich und höre ein leises Lachen. Sind die jungen Damen noch immer nicht eingeschlafen? Mann, manchmal ist es echt anstrengend, Kinder ins Bett zu kriegen! Beide Mädchen kichern und spielen in der anderen Ecke des Zimmers. Vermutlich lachen sie darüber, dass ich vergeblich auf den Lichtschalter drücke.

Ich drehe mich um und will das Licht im Flur anschalten. Was ist hier los? Dasselbe Spiel von vorn. Drücken. Klick, klick. Kichern. Warum geht das Licht nicht? Ich… Nein! Ich habe Gänsehaut.

„Meine Augen!“, kommt mir in den Sinn. Unsere Lichtschalter und Glühlampen mitsamt Stirnlampe funktionieren also. Davon merke ich nur nichts. Ich erkenne zwar alles Wesentliche, jedoch nur schemenhaft. So viel wie man nachts eben im Mondlicht erkennt. Ich finde zurück zum Bett und wecke Patrick. „Patrick, ich kann nichts mehr sehen! Ich sehe nichts mehr! Patrick, Patrick, ich glaube, meine Netzhaut löst sich. Bitte ruf den Notarzt! Vielleicht kann man jetzt gleich noch etwas mit einer Operation retten.“

Ich kann mir nicht merken, was er sagt, denn gleichzeitig beginnt mein Baby zu weinen. Patrick nimmt unseren kleinen Jungen hoch, den ich niemals als Kleinkind sehen werde, und geht ins Arbeitszimmer. Ich tappe irgendwie hinterher.

Im Arbeitszimmer wirkt es jetzt heller. Wie verschwommener Nebel oder so. Patrick fragt mich, ob ich denn nicht meine Kinder erkenne. Ein Kind kommt auf mich zu. „Bist du das, *Anna?“, frage ich unsicher. „*Hanna, ja? Bist du hier?“ (* Name geändert)

Unser Babyjunge weint. Er muss sicher abgehalten werden. Es klingt, als stört obendrein ein Bäuerchen. Patrick drückt mir das Telefon in die Hand und entfernt sich ins Badezimmer.

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Bei mir muss es jetzt schnell gehen. Ich wähle den Notruf: 115. Nein. Noch mal. 113. Verdammt! Dann sollte es wenigstens mit der 110 klappen. Aber das bekomme ich auch nicht hin. Die Tasten sind zu klein und egal, wie sehr ich meine Augen aufreiße, egal, wie nah ich mir das Telefon vor die Augen halte – es ist sinnlos.

Ich streiche mit der Hand unseren Flur entlang zur Wohnungstür. Patrick versucht, unser Baby zu beruhigen. „Ich suche meine Mutter“, rufe ich ihm zu und tapse intuitiv die Treppe hinunter, deren Stufen ich schon als Kind im Dunkeln hinab zu steigen wusste. Flugs bin ich an der Wohnungstür meiner Eltern angekommen, aber ich finde in meiner Aufregung den Türknauf nicht. Verzweifelt rufe ich: „Mutti! Mutti!“ Sie kommt schon und nimmt meinen Arm, als wüsste sie, welches schreckliche Schicksal mich ereilt hätte. „Bring mich zu eurem Telefon! Meine Netzhaut ist jetzt…“

Da steh‘ ich schon, halte den Hörer und höre die Frauenstimme der Notrufzentrale. Meine Mutter antwortet ihr. Ich meine, die Situation schneller erklären zu können, falle ihr ins Wort und spreche total durcheinander: „Hier ist Evelin Hager. Meine Netzhaut macht Probleme und ich sehe nur noch alles grau-schwarz und schemenhaft. Das passierte erst vor ein paar Minuten und ich kann nichts mehr sehen. Die Operation muss sofort erfolgen, denn ich erkenne nichts mehr und ich wache auf.“

Ja. Ich wache auf. Ich habe Gänsehaut. Bin schockiert. Steif liege ich im Familienbett zwischen meinen schlafenden Töchtern, neben meinem Sohn und ich sehe nichts. Alles schattenhaft. Fahles Mondlicht verleiht dem Raum dezente Konturen. Ich taste nach der Stirnlampe.

Klick, klick.

Ich atme auf. Sie funktioniert. Ich krabbel hinüber auf Patricks Bettseite und kuschel mich an ihn, um mich zu beruhigen. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen und ich spüre, wie sich ein Gefühl der Dankbarkeit in mir breit macht.

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Ich werde sehen können, wie mein drittes Baby als Kleinkind aussehen wird, welche Wäsche seit vielen Tagen dringend gewaschen werden sollte und wie sich unsere Töchter heftig streiten. Was kann es Schöneres geben?

Mir fällt nichts besseres ein, als mich meiner gesunden Augen, meines gesunden Körpers und denen meiner Familie zu erfreuen.

Eine Traumdeuterei soll dieser Artikel jedoch nicht sein. Träume zeigen m.M. nach viel mehr, was einen momentan beschäftigt oder beschäftigte. In diesem Fall bewegte mich die Buchverfilmung von Saliya Kahawattes „Mein Blind Date mit dem Leben“. Film und Buch erzählen, wie er mit dem Schicksalschlag einer pötzlichen Erbindung als Abiturient fertig wurde und diese für seine Ausbildung zum Hotelfachmann wie auch für eine Liebesbeziehung verschweigt. Sehr berührend und empfehlenswert!

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