Wenn wir von „unerzogen“ sprechen, denken die meisten Menschen sofort an Kinder. Aber was wäre, wenn wir dieses Prinzip der gewaltfreien „Beziehung statt Erziehung“ genauso auf unsere Vierbeiner anwenden könnten? Statt blinden Gehorsam und ständige Befehle in den Vordergrund zu stellen, könnte die Beziehung zu unseren Hunden auf Vertrauen, Nähe und gegenseitigem Verständnis basieren.

Ich erzähle von unseren Bekanntschaften mit erzogenen und unerzogenen Hunden, und zeige, wie eine tiefe Bindung ohne strikte Erziehung möglich ist. Ihr erfahrt, warum wir uns gegen traditionelle Erziehungsmethoden für unseren Bello entschieden haben und wie Hunde durch Freiheit, Respekt und Wertschätzung ein erfülltes Leben führen können. Wissenschaftliche Quellen und praktische Tipps für den Alltag runden den Artikel ab.

Beziehung statt Befehl

Wir alle kennen die klassischen Kommandos wie „Sitz“, „Platz“ und „Bleib“. Sie sind fester Bestandteil vieler Hundeschulen und gelten als der Schlüssel zu einem „guten“ Hund. Doch was bedeutet es eigentlich, wenn wir Hunde vor allem durch solche Kommandos definieren? Unsere Erfahrung hat uns gezeigt: Ein Hund, der ständig gehorchen muss, wird vielleicht gehorsam – aber entwickelt er auch eine tiefere Bindung zu uns? Hat er wirklich die Möglichkeit, seine eigenen Bedürfnisse auszuleben? Ist er automatisch glücklich?

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Ein unerzogener Hund am Tisch

Bei der „Unerzogen“-Philosophie geht es darum, den Hund nicht zu einem perfekten Gehorsam zu zwingen, sondern eine ehrliche und authentische Beziehung zu ihm aufzubauen. Das bedeutet, dass wir lernen, unseren Hund wirklich zu „lesen“: Was braucht er gerade? Wie fühlt er sich? Welche Signale gibt er uns?

Bedürfnisse des Hundes verstehen

Jeder Hund ist einzigartig, und genau wie Menschen haben auch Hunde unterschiedliche Bedürfnisse. Als unser Bello in unsere Familie kam, dachten wir nicht daran, ihm klassische Kommandos beizubringen. Er lebte bereits zehn Jahre hundeelend an einer Eisenkette in einem matschigen Zwinger. Er verdiente Liebe, keine Befehle! Er sehnte sich nach einer Beziehung, in der er sich sicher und geschätzt fühlt.

Ketten- und Zwingerhund Bello in Rumänien: Befreit von unserem unerzogenen Kind

Anstatt darauf zu bestehen, dass er „Sitz“ oder „Platz“ macht, haben wir begonnen, ihn einfach zu beobachten, ihn kennenzulernen und mit ihm zu kommunizieren. Was braucht er, wenn er unruhig ist? Warum zieht er an der Leine? Wieso läuft er nicht weiter? Oft liegt das Verhalten eines Hundes nicht an Ungehorsam, sondern daran, dass er uns etwas mitteilen möchte. Vielleicht ist er unsicher oder überfordert. Früher, ich war fast noch ein Kind, zog ich unseren Cocker Spaniel genervt an der Leine weg, wenn er schnüffeln wollte. Durch Bello (und einige Bücher über Wölfe, die ich mit meinen Kindern gelesen hatte) verstand ich erst so richtig, dass Schnüffeln so wichtig und toll ist wie Zeitunglesen.

Vertrauen als Grundlage

Einer der wichtigsten Aspekte in der Beziehung zu einem Hund ist Vertrauen. Ein Hund, der weiß, dass er gehört und respektiert wird, verhält sich von selbst kooperativ – nicht, weil er muss, sondern weil er will. Unser Mudi (so heißt die Rasse der ungarischen Hütehunde) zeigt uns das immer wieder. Sobald er merkte, dass wir ihm vertrauen und ihm den Raum geben, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, wurde er viel entspannter. Sein Spiegelbild, Autos, zurechtgestutzte Büsche – all das macht ihm heute keine Angst mehr. Seine traumatische Vergangenheit holt ihn dennoch hin und wieder ein. Und wir reagieren auf nächtliche Panikattacken, wie wir auf ein schreiendes Baby reagieren würden: mit Tragen auf unserem Arm, Schlafen im Familienbett und beruhigender Nähe. Wir sagen nicht: „Da muss er jetzt durch“ oder „Ein Hund muss lernen, bei Gewitter kein Drama zu machen“.

Wenn der Hund Trot braucht.

Wertschätzung statt Konditionierung

In der „Unerzogen“-Philosophie für Hunde geht es auch darum, den Hund als eigenständiges Wesen zu sehen. Ein Hund ist nicht dazu da, uns zu gefallen oder unsere Befehle auszuführen. Er ist ein Lebewesen mit eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Eigenheiten. Es geht darum, ihn zu schätzen – nicht nur dann, wenn er „brav“ ist, sondern auch in den Momenten, in denen er zeigt, wer er wirklich ist.

Bello nutzt Patrick als Sitzkissen

Ein Leben in Freiheit und Vertrauen

Für uns bedeutet „unerzogen“ bei Hunden vor allem eines: ein Leben in Freiheit und Vertrauen. Unser Hund soll sich nicht wie ein „funktionierender“ Begleiter fühlen müssen, sondern als ein vollwertiges Mitglied unserer Familie, dessen Bedürfnisse und Gefühle genauso zählen wie unsere eigenen.

Attachment Dog Parenting

Es ist ein ständiges Geben und Nehmen, ein Lernen und Verstehen – und es lohnt sich. Neben unseren Kindern hat uns auch Bello gezeigt, dass wahre Bindung nicht durch Kontrolle entsteht. Gemeinsame Erlebnisse, die auf Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung basieren, werden die Basis.

Hundemüder Hund im Futterteller

Bedürfnisse und Vorlieben

Über die Zeit hinweg haben wir Bellos Ängste und Vorlieben kennengelernt und achten darauf, ihm das zu geben, was er braucht. Zum Beispiel reagiert er kaum auf seinen Namen, den ihm unsere älteste Tochter gegeben hat. Für ihn ist das einfach nicht so wichtig – früher wurde er schlicht „guter Hund“ genannt, und das scheint für ihn auch heute noch der Begriff zu sein, mit dem er sich wohlfühlt. Auf „guter Hund“ reagiert er sofort, als ob dieser Name ein Stück Geborgenheit aus seiner Vergangenheit bewahrt.

Bellos Retterin ist die beste Spielgefährtin

Spannenderweise spricht Bello auf einige rumänische Vokabeln an, die uns an sein altes Leben erinnern. Worte wie „Guten Tag“ und „Komm“ in rumänischer Sprache lösen bei ihm immer noch eine Reaktion aus. Für uns ist es wichtig, dass Bello in seiner letzten Lebensphase einfach nur er selbst sein darf. Er muss nicht unser „braver Vorführhund“ sein. Das wäre nicht fair und würde weder uns noch ihm gerecht werden. In unserer Familie ist er willkommen so, wie er ist – ein freier, manchmal eigensinniger, aber durch und durch liebenswerter Begleiter. Er hat in uns eine Familie gefunden, die ihn liebt, so wie er ist – ohne Bedingungen, ohne Druck. Und genau das macht ihn für uns zu einem wahren Familienmitglied.

Mudi Bello sucht Nähe

Die Tatsache, dass Bello trotz all seiner Erlebnisse so freundlich und offen gegenüber Menschen ist, rührt uns zutiefst. Er hat uns gezeigt, dass Vertrauen und Zuwendung viel mehr bewirken als Erziehung. Er lebt in unserem Haus nicht als „Zirkushund“, der auf Knopfdruck Kunststücke vorführen muss.

Hund und Katze verstehen sich

Erziehung durch Strafen: Ein fragwürdiger Weg

Es gibt viele Arten, wie Menschen versuchen, ihre Hunde zu erziehen. Einige erfolgreicher und respektvoller, andere weniger. Ein besonders trauriges Beispiel, das wir in unserem Bekanntenkreis erleben, ist ein Herrchen, das seine beiden Hunde mit fragwürdigen Methoden zu Gehorsam zwingen will. Diese Hunde stammen aus einer Zucht. Sie wurden also bewusst ausgewählt und gekauft (finden wir im Übrigen doof, weil es so viele alleingelassene Hunde in Tierheimen oder in anderen Ländern auf der Straße gibt, die sich über einen menschlichen Freund freuen würden). Doch anstatt eine liebevolle Beziehung zu ihnen aufzubauen, besteht der Alltag der Tiere aus häufigen Strafen.

Straßenhund (Welpe) in Montenegro

Wenn die Hunde bellen oder weglaufen, straft ihr Herrchen mit drastischen Maßnahmen: Sie bekommen kein Wasser oder Futter. Manchmal werden sie zur Bestrafung am Gartenzaun angebunden (Anmerkung: Das Vorenthalten von Wasser oder Futter als Strafe ist tierschutzwidrig und kann zu ernsthaften gesundheitlichen Schäden führen; Quelle: Deutsches Tierschutzgesetz (§ 2 TierSchG)). Das klingt erschreckend, nicht wahr? Und es ist ebenso traurig wie es klingt. Dieses Herrchen schimpft nicht nur lautstark, sondern erklärt den Hunden oft regelrecht wütend, was sie falsch gemacht haben. Doch all diese negativen Methoden führen letztlich zu keinem Ergebnis. Wenn er „Fuß“ ruft, hören die Hunde nicht. Selbst Leckerlis, die normalerweise als positive Verstärkung wirken sollen, scheinen in dieser angespannten Beziehung nichts mehr auszurichten.

Gewalt und Strafe in der Erziehung – eine Sackgasse

Das Ausschlagen von Wasser oder Futter als erzieherische Maßnahme ist für uns schwer nachvollziehbar. Wir kennen das Prinzip vielleicht aus alten pädagogischen Ansätzen beim Menschen: „Heute gehst du ohne Abendessen ins Bett!“. Ist es tatsächlich notwendig, Gehorsam durch Hunger oder Durst zu erzwingen? Und was macht das mit dem Wesen eines Lebewesens, egal ob Hund oder Mensch?

In der Hundehaltung ist diese Art von Strafe besonders problematisch. Hunde verstehen nicht die komplexen Gedankengänge hinter diesen Handlungen. Sie spüren nur die unmittelbare Konsequenz: Hunger, Durst und Isolation. Anstatt zu lernen, was richtig oder falsch ist, erleben sie Angst und Unsicherheit. Es entsteht keine vertrauensvolle Beziehung, sondern eine, die auf Angst basiert. Und das kann langfristig zu noch mehr unerwünschtem Verhalten führen, weil die Hunde gar nicht mehr wissen, wie sie sich richtig verhalten sollen (Anmerkung: Studien zeigen, dass aversive Trainingsmethoden zu erhöhtem Stress und Angst bei Hunden führen können; Quelle: Vieira de Castro, A.C., et al. (2020). Does training method matter? Evidence for the negative impact of aversive-based methods on companion dog welfare. PLOS ONE, 15(12), e0225023).

Beziehung statt Kontrolle

Natürlich ist es manchmal frustrierend, wenn Hunde nicht sofort hören oder Dinge tun, die uns Menschen unangenehm sind, wie Bellen oder Weglaufen. Doch anstatt sie dafür zu bestrafen, ist es viel sinnvoller, ihre Bedürfnisse zu verstehen und darauf einzugehen. Warum bellt der Hund? Was steckt hinter seinem Verhalten? Und vor allem: Wie können wir ihn unterstützen, ohne ihm Leid zuzufügen?

Hunde brauchen keine "Herrchen" sondern "Freunde".

Ein Umdenken in der Hundeerziehung

Es ist an der Zeit, umzudenken, sowohl in der Erziehung von Hunden als auch in unserem generellen Umgang mit Tieren. Strafen, die das Wohlbefinden des Tieres gefährden, wie das Vorenthalten von Futter oder Wasser, sind nicht nur unethisch, sondern auch ineffektiv. Ein Hund wird nicht durch Zwang und Strafe ein besserer Begleiter, sondern durch Respekt und Verständnis.

Hund und Kind auf Sofa

Wenn wir wirklich eine tiefere, bedeutungsvollere Beziehung zu unseren Hunden aufbauen wollen, müssen wir aufhören, sie wie Maschinen zu behandeln, die auf Befehl funktionieren. Stattdessen sollten wir uns die Zeit nehmen, ihre Bedürfnisse und Emotionen zu verstehen. Denn Hunde möchten – genau wie wir – einfach nur geliebt und akzeptiert werden.

Der alte Hund genießt den Respekt der Jugend.

Bewegung und Freiheit: Warum Hunde mehr als nur Gehorsam brauchen

Es fällt mir häufig auf, wenn wir spazieren gehen: Da gibt es Hunde, die scheinbar nie richtig Hund sein dürfen. Kaum nähern sich andere Vierbeiner oder Menschen, werden sie unverzüglich zu Herrchen oder Frauchen zurückgepfiffen, an die Leine genommen oder sogar weggedrängt. Viele dieser Hunde erhalten gar nicht die Gelegenheit, in Ruhe „Zeitung zu lesen“ – sprich, die Umgebung zu erschnuppern und die Welt auf ihre eigene Art zu erkunden. Stattdessen werden sie an der Leine weitergezogen, kaum dass sie einen interessanten Geruch wahrgenommen haben.

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Wenn die Chemie stimmt, können Hunde auch in der Gruppe gut gassigehen.

Was macht Hunde glücklich?

Hunde sind von Natur aus neugierige und soziale Wesen. Sie schnuppern, erkunden und kommunizieren über ihre Umgebung – ob das andere Hunde sind, Menschen oder einfach nur der Duft eines entfernten Wildtiers. Diese Aktivitäten sind für Hunde essenziell, um ihre Welt zu verstehen und geistig ausgeglichen zu bleiben.

Neugieriger Hund (Bello) genießt die albanische Küstenlandschaft

Doch was passiert, wenn wir unseren Fellnasen so viel verwehren? Viele dieser Hunde wirken gestresst oder überkontrolliert. Ehrlich gesagt, mir kommt manch hochgelobter Zuchthund oft ein wenig traurig vor. Während sich die Besitzer bei der Ernährung oder Bewegung oft an „artgerechten“ Konzepten orientieren – also hochwertiges Futter und ausreichend Bewegung –, fehlt es oft an einer „natürlichen Hundehaltung“, wenn es um das soziale und emotionale Wohlbefinden der Tiere geht.

Hund hebt Fundament aus. :D (Malinois buddelt Loch)

Die Rolle des Schnupperns

Hunde nehmen ihre Umgebung vor allem durch ihre Nase wahr. Das „Zeitunglesen“ beim Spazierengehen ist für sie mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung – es ist eine wichtige Möglichkeit, Informationen über ihre Umwelt zu sammeln. Wenn Hunde ständig an der Leine weitergezogen werden, ohne in Ruhe schnuppern zu dürfen, entgehen ihnen viele dieser natürlichen Eindrücke. Sie können ihre Neugier nicht stillen und bleiben oft geistig unterfordert. Dies kann nicht nur zu Frustration führen, sondern auch dazu, dass sich der Hund in seiner Umgebung nicht wirklich wohlfühlt.

Für Bello ist es ein absolutes Highlight, jeden Grashalm, jeden Stein und jedes Büschel Erde auf unseren Spaziergängen ausgiebig zu untersuchen. Wir lassen ihn bewusst in seinem Tempo gehen, ohne ihn ständig an die Leine zu nehmen oder zu rufen. Wenn er fertig geschnuppert hat, kommt er von selbst weiter. Es ist ein natürlicher Rhythmus, der für uns beide funktioniert – für ihn als neugierigen Entdecker und für uns als seine Begleiter.

Spielen und soziale Kontakte

Auch das Spielen mit Artgenossen scheint bei vielen tabu zu sein. Spielen ist für Hunde eine essentielle soziale Interaktion, durch die sie lernen, sich mit anderen Hunden zu verständigen, ihre Grenzen auszutesten und Energie loszuwerden. Viele Hunde zeigen deutliche Zeichen des Interesses, wenn sie andere Hunde sehen – ein freudiges Schwanzwedeln, gespanntes Hüpfen oder neugieriges Beobachten. Doch statt ihnen diese Begegnungen zu ermöglichen, werden sie oft unverzüglich zurückgerufen, sobald ein anderer Hund in Sicht kommt.

Bellos Zaunfreundschaft (spielende Hunde)

Natürlich gibt es Situationen, in denen es sinnvoll ist, den Hund zurückzurufen, beispielsweise bei aggressivem Verhalten oder in unsicheren Umgebungen. Aber grundsätzlich ist das Spielen mit anderen Hunden eine gesunde und wichtige Aktivität, die ihnen Freude bereitet und sie sozial stärkt.

Mehrere Hunde spielen am Hundestrand in Ungarn

Kontrolle oder Vertrauen?

Die Beobachtungen, die wir bei anderen Hunden machen, werfen die Frage auf: Ist es wirklich notwendig, so viel Kontrolle über unsere Hunde auszuüben? Viele Menschen scheinen das Bedürfnis zu haben, ihren Hund ständig zu kontrollieren – ihn an der Leine zu führen, ihn zu erziehen und ihm Gehorsam beizubringen. Aber was geht dabei verloren? Die Freiheit, sich natürlich zu verhalten, das Vertrauen zwischen Hund und Mensch und letztlich das Wohlbefinden des Tieres.

Hund ohne Leine wirft Schatten

Unser neuer Hundefreund: Ein Dogo Argentino und das Vorurteil „Kampfhund“

In diesem Jahr sind meine Kinder und ich viel gereist. Einer unserer Aufenthalte führte uns in ein kleines ungarisches Dorf, wo wir auf einen besonderen neuen Hundefreund trafen: einen Dogo Argentino. Ein Hund, den viele als gefährlichen „Kampfhund“ ansehen und dem die meisten in Westeuropa aus dem Weg gehen würden – oder dem sie einen Maulkorb verordnen. Doch wie so oft im Leben steckt hinter Vorurteilen etwas ganz anderes.

Die Begegnung, die alles veränderte

Eines Vormittags kam meine elfjährige Tochter voller Aufregung in die Küche gerannt. „Mama, Mama! Ich habe einen Hund kennengelernt, und er ist superlieb. Er ist so wie unser Bello und ich glaube, er wird auch nicht erzogen!“ Diese Worte machten mich neugierig. Ich wusste noch nicht, wie groß oder „gefährlich“ der neue Freund meiner Kinder war. Aber ich vertraue meinen Kindern und wusste, dass sie mit Tieren sehr achtsam und respektvoll umgehen.

Es stellte sich heraus, dass meine Tochter bereits die Erlaubnis des Besitzers eingeholt hatte, den Dogo Argentino zu bürsten, zu massieren und mit ihm zu spielen. Sie hatte intuitiv gespürt, dass dieser Hund, wie unser Bello, nicht über strikte Kommandos und Gehorsam funktioniert. Bald schlossen auch meine jüngeren Kinder Freundschaft mit ihm, und sie waren begeistert von seiner Sanftheit und Gelassenheit.

Ein „Kampfhund“ ohne Kampfgeist

Der Dogo Argentino ist eine imposante Erscheinung – groß, muskulös und stark. Viele Menschen haben Vorurteile gegenüber dieser Rasse, besonders aufgrund ihres kraftvollen Auftretens. Doch wir haben von diesem Hund kein aggressives Verhalten erlebt. Ganz im Gegenteil: Er ist ein groß geratener Schoßhund, der offenbar keine Ahnung hat, dass er als „gefährlich“ gilt. Sein sanftes Wesen und die Zuneigung, die er meinen Kindern und mir entgegenbrachte, waren einfach herzerwärmend.

Dogo Argentino als kinderfreundlicher Familienhund

Inzwischen kenne auch ich diesen unerzogenen Dogo Argentino und habe sein Herrchen besser kennengelernt. Der weiße Riese wird nicht zu einem Kampfhund trainiert oder erzogen. Stattdessen bekommt er Kuschel- und Tobezeiten, Vertrauen und Freiraum. Auch wenn mal eine Matratze zerfetzt oder ein Paar Hausschuhe als Zahnbürste benutzt werden, bleibt das „Herrle“ gelassen. Wichtig ist für ihn, dass sein Hund im Alltag weiß, wann es darauf ankommt, etwa im Straßenverkehr oder wenn fremde Menschen vorbeigehen. In solchen Situationen bleibt der Dogo Argentino ruhig, wartet geduldig und bleibt beim Herrchen.

Vertrauen statt Kontrolle

Diese Begegnung hat mich einmal mehr daran erinnert, wie wichtig Vertrauen in der Beziehung zu einem Hund ist. Der Dogo Argentino zeigt deutlich, dass es nicht strenge Disziplin oder ständige Kontrolle braucht, um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen. Trotz seiner Größe und Stärke ist er ein sanfter und liebevoller Begleiter, der weiß, wann es darauf ankommt, Rücksicht zu nehmen.

Der Dogo Argentino: ein schmusebedürftiger, geduldiger Hund

Natürlich ist so ein kraftvoller Hund nicht unbedingt etwas für kleine, zierliche Menschen wie mich. Die Kinder und ich füttern und schmusen zwar gern mit ihm, aber das wilde Raufen und Rennen durch den Wald überlassen wir lieber seinem Herrchen, der ihm kräftemäßig nicht unterlegen ist.

Vorurteile über Bord werfen

Unsere Erfahrung mit diesem Dogo Argentino hat uns einmal mehr gezeigt, wie unbegründet viele Vorurteile gegenüber sogenannten Kampfhunden sind. Diese Hunde tragen oft einen schlechten Ruf, der wenig mit ihrem tatsächlichen Verhalten zu tun hat. In Wahrheit brauchen sie – wie jeder Hund – Vertrauen, Nähe und Freiheit, um ihr sanftes Wesen zu zeigen (siehe auch Kathleen Morrill et al., Ancestry-inclusive dog genomics challenges popular breed stereotypes. Science376, eabk0639(2022). DOI:10.1126/science.abk0639).

Unerzogen bei Hunden - Beziehung statt Erziehung

Unerzogen bei Hunden und Menschen: Unsere Inspiration aus Schweden

Der Anfang: Freundschaftlicher Umgang mit Kindern

Mein erstes Kind war sieben Monate alt, als wir unsere „Schwedenfreunde“ kennenlernten. Sie hatten bereits ältere Kinder. Ihr liebevoller, respektvoller Umgang mit ihrem Nachwuchs fiel mir sofort auf. Es war nicht die übliche Erziehung, die viele Eltern anstreben, bei der Gehorsam und Kontrolle im Vordergrund stehen. Stattdessen sah ich, wie die Kinder in einer Atmosphäre des Vertrauens und der Freundschaft aufwuchsen. Statt strikte Regeln und Erziehung lebten alle die Vorzüge der GfK (Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg). Diese Herangehensweise beeindruckte mich so sehr, dass sie mich auf meinem eigenen Weg zur „Unerzogen“-Philosophie prägte.

Die Rottweiler und ihre natürliche Freiheit

Einige Jahre später entschied sich unsere befreundete Familie, zwei Rottweiler aufzunehmen. Viele Menschen sehen diese Hunderasse mit Vorurteilen, ähnlich wie bei unserem Hundefreund, dem Dogo Argentino. Doch was wir bei unseren schwedischen Freunden erlebten, war das Gegenteil von dem, was man oft über „gefährliche“ Hunderassen hört.

Die beiden Rottweiler wurden nicht streng erzogen. Sie durften sich als Hunde natürlich verhalten, ohne dass ständige Kommandos oder Strafen über ihnen schwebten. Trotzdem gab es klare Grenzen, die auf Vertrauen und Respekt basierten. Die Hunde lernten, was in der Familie akzeptiert wurde. Nicht durch harsche Erziehungsmethoden, sondern durch liebevolle Führung und klare Kommunikation. Genau wie die Kinder der Familie entwickelten die Hunde durch diese respektvolle Herangehensweise ein entspanntes und freundliches Wesen.

Herkömmliche Hundeschulen und Trainingsmethoden finde ich abschreckend. Wie gut, dass sich inzwischen viele Trainer und Tierbegleiter für ein gewaltfreies Aufwachsen von Hunden starkmachen!

Buchtipps:

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