Stillen in der ÖffentlichkeitDas Thema „Stillen in der Öffentlichkeit“ erhitzt die Gemüter. Doch jetzt ist es amtlich: Du „darfst“ stillen – egal wann, egal wo!


Inhaltsverzeichnis:

1. Stolz und Vorurteil
2. Offizielle Rückendeckung
3. Stillen in der Öffentlichkeit: Zahlen und Fakten
4. Botschaft 1: Die Unaufschiebbarkeit des Stillens
5. Botschaft 2: Öffentlich stillen ist „normal“
6. Botschaft 3: Gesundheitliche Vorteile des Stillens
6.1 Stillen ist gesund…
6.1.1 für die Mama
6.1.2 für das Kind
6.1.3 für beide
6.2 Muttermilch – das beste „Fast Food“ der Welt
6.3 Stillen ist Liebe
6.4 Für Mutter und Kind nur das Beste!
7. Stillen in der Öffentlichkeit: aktiv gegen Diskriminierung
8. Tipps zum Stillen:
8.1 Stillprobleme
8.2 Ratschläge fürs Stillen in der Öffentlichkeit
9. Über den Umgang mit der Gesellschaft

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1. Stolz und Vorurteil

„Wie wollt ihr das Baby überhaupt ernähren, wenn es auf der Welt ist?“

„Vegan natürlich!“

„Aber es gibt doch keine vegane Fläschchennahrung. Ihr müsst schon Milasan oder sowas kaufen!“

„Wieso? Unser Baby wird doch gestillt.“

„Und wenn du nicht stillen kannst?“

„Wieso sollte ich denn nicht stillen können? Jede gesunde Frau kann stillen.“

„Meine Frau konnte früher auch nicht stillen. Sind deine Brüste überhaupt groß genug?…“

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Als ich unsere Große unter meinem Herzen trug, staunte ich nicht schlecht über jene grotesken Vorbehalte eines älteren Herren.

Für Patrick und mich war es so selbstverständlich, unsere Kinder über einen langen Zeitraum mit Muttermilch zu stillen, dass wir uns nicht ein einziges Mal darüber unterhielten. Ich verlor keinen Gedanken daran, dass meine kleinen Brüste meinen Kindern nicht gerecht werden würden.

Im Verlauf der Stillzeit erlebte ich, wie sich Milch bildet, sich ihre Beschaffenheit im Tagesverlauf ändert und wie sie in der Schwangerschaft versiegt. Mein Körper verschaffte mir die Gewissheit, dass meine Milch für zwei oder mehr Kinder ausreicht und das Abstillen völlig unkompliziert im gegenseitigen Einvernehmen durch mich und meine Kinder verläuft.

Wie es Vorbehalte gegen das Stillen selbst gibt, so ereignen sich traurigerweise in regelmäßigen Abständen Vorfälle, in denen Mütter von ihren Mitmenschen angefeindet werden, weil sie ihre Kinder „in der Öffentlichkeit“ stillen.

Aus der innigen, liebevollen Verschmelzung mit dem Säugling gerissen, beschimpft, aus dem Bus geworfen oder vom aufmerksamen Restaurantmitarbeiter gebeten, den Stillvorgang auf den Lokus zu verlegen – derartige Szenen scheinen von der anhaltenden Demütigung stillender Frauen zu zeugen. Schrieb ich „scheinen“? Ja! Denn nüchtern betrachtet sieht es für das Stillen in der Öffentlichkeit gar nicht schlecht aus.

2. Offizielle Rückendeckung

Kürzlich befasste sich die Nationale Stillkommision (NSK) am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), gemeinsam mit nationalen und internationalen Fachleuten, im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit der Sache.

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Im Ergebnis tritt das BfR in einem aktuellen Positionspapier für das Stillen in der Öffentlichkeit ein.

Dem ging eine Onlinebefragung von mehr als 1300 Personen (davon etwa 300 Mütter mit Kindern bis 2 Jahre) zur Akzeptanz des öffentlichen Stillens voraus. Teilgenommen haben Menschen ab 14 Jahren. Der Alters-Mittelwert liegt bei 43 Jahren. Ältere waren in der Befragung unterrepräsentiert.

Aus der Auswertung der Umfrage leitete das BfR positive Botschaften und Vorschläge zur Förderung der Akzeptanz des Stillens in der Öffentlichkeit ab.

Als Zielgruppen der geplanten Aktionen und Kampagnen kristallisierten sich in der Untersuchung einerseits stillende Mütter und andererseits Menschen, die das Stillen in der Öffentlichkeit verurteilen, heraus. Frauen sollen ermutigt werden, uneingeschränkt in der Öffentlichkeit zu stillen. Mit Informationen zu den Vorzügen und zur Normalität des Stillens soll die Akzeptanz für das Stillen in der Öffentlichkeit ins Bewusstsein des Volkes gelangen.

3. Stillen in der Öffentlichkeit: Zahlen und Fakten

Schauen wir uns die Auswertung der Onlinebefragung genauer an:

Steinskulptur - Stillende Mutter

Der Stein des Anstoßes ;-) (CC0 – Public Domain, Quelle)

10 % der befragten Mütter, die abgestillt hatten, gaben an, dass die Reaktion ihres Umfelds aufs Stillen einer der Gründe für das vorzeitige Abstillen war. Zum Beispiel, wenn der eigene Ehegatte und die Schwiegereltern es störend und deplatziert empfanden.

14 % der Mütter, die nie stillten, gaben an, dass es ihnen unangenehm wäre, vor fremden Menschen zu stillen.

65 % der Mütter stillen öffentlich, wobei 6 % negative Erfahrungen machten.

Die Hälfte des Volkes nimmt stillende Mütter in der Öffentlichkeit gar nicht wahr, und einem Viertel ist das öffentliche Stillen egal.

Sechs Prozent der Befragten fühlen sich beim Anblick stillender Mütter gestört. Diese Gruppe ist nicht charakterisierbar, weshalb das BfR beschloss, die geplanten, einschlägigen Aufklärungsmaßnahmen auf die breite Öffentlichkeit abzuzielen.

Mehr als ein Viertel der Umfrageteilnehmer steht dem Stillen in der Öffentlichkeit zwiespältig bis ablehnend gegenüber.

In Gaststätten und Cafés existiert ein erhöhtes Konfliktpotential, denn das Stillen ist nahezu unvermeidlich. Ich kann wohl von Glück reden, dass ich noch nie auf eine Toilette verwiesen wurde, wenn ich meine Kinder im Restaurant gestillt habe.

Das BfR stellt fest, dass die Geisteshaltung zum Stillen in Ihrer Untersuchung etwas zu positiv erscheint. Und, dass eine Aufklärung über die gesundheitlichen Vorteile des Stillens zur positiveren Wahrnehmung öffentlich stillender Mütter führt.

Das BfR arbeitete drei Kernbotschaften heraus:

    1. Stillen ist gesund
    2. Stillen wird überall akzeptiert
    3. Stillen kann nicht warten

Genau um diese Themen soll es in diesem Blogbeitrag gehen.

4. Botschaft 1: Die Unaufschiebbarkeit des Stillens

Ich stillte mein Kind nicht nach der Uhr, sondern nach Bedarf. Und das an jedem Ort: Während Interviews waren meine Gesprächspartner nie entsetzt, wenn mir meine Zweijährige an der Bluse zog. An mündlichen Prüfungen in der Hochschule durfte mein Kind mitsamt Patrick, angesichts der Notwendigkeit des Stillens, teilnehmen. Und unsere standesamtliche Eheschließung ruhte aus unserem eigenen Ermessen – voller Verständnis des Standesbeamten für die Stillpause.

Erstes Stillen in der Öffentlichkeit im Tropenhaus Erfurt - ganz diskret.

Erstes Stillen in der Öffentlichkeit im Tropenhaus Erfurt – ganz diskret.

Stillen stillt: Angst, Schmerz, schlechte Gefühle, Durst und Hunger.

Das Kindeswohl hat Vorrang vor allem anderen! Deshalb musst Du Dich für das Stillen in der Öffentlichkeit vor niemandem rechtfertigen, der meint, Mütter sollten doch mit ihren kleinen Kindern zuhause bleiben, und das öffentliche Stillen sei „ekelhaft“. Lass Dein Kind bitte nicht hungern, nur weil Du denkst, die Gesellschaft würde das Stillen „unpassend“ finden!

Unsere Babys signalisierten mir gut, wenn sie „Mumi machen“ wollten: Durch Schmatzen, Saugen an ihren Fingerchen und Händen, Lecken an den Lippen, gestikulierende Hände, unruhiges Zappeln, durchs Öffnen des Mundes mit gleichzeitigem, suchenden Hin- und Herbewegen des Köpfchens. Werden diese Anzeichen missachtet, verfallen Kinder in eine angespannte Körperhaltung und quittieren die Ignoranz mit Weinen und Schreien. So zieht man garantiert alle Aufmerksamkeit auf sich und sein Baby. Bewahren wir die Contenance und stillen unser schreiendes Kind, werden die meisten froh sein, wenn wieder Ruhe herrscht.

Der Hunger des Babys lässt sich nicht aufschieben. Es kann und muss nicht warten. Bedarfsstillen ist angesagt! Mit ungefähr sechs Monaten gibt es bei Babys einen Wachstumsschub, bei dem sie über wenige Tage stündlich nach Nahrung verlangen.

5. Botschaft 2: Öffentlich stillen ist „normal“

Nachdem meine große Tochter sechs Monate lang voll gestillt wurde, staunten die Ladys, die selbst spätestens nach einem halben Jahr abrupt keine Milch mehr und stattdessen „schrecklich viel Nachmilch“ produzierten, dass mein Kind noch immer an mir „satt“ wurde.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt das Vollstillen bis 6 Monate und die Beibehaltung des Stillens auch nach Einführung der Beikost. Diese muss übrigens nicht aus Brei bestehen, auch wenn das der Babynahrungslobby gefiele.

Unsere Große fütterte ich zwar nicht, ließ sie aber bereits mit vier Monaten bewusst an unseren Mahlzeiten teilhaben. Dazu gehörte das erste Gurkenstück, nach dem mein Kind während einer Ägyptenreise griff. Ich freute mich über meine begeisterte Tochter, und konnte selbst in Ruhe mit dem Kind auf dem Schoß meine Mahlzeit genießen. Sie aß nicht viel und wurde, auch nach einem Jahr Baby Led Weaning (BLW), kein „großer Esser“. Da war es gut, dass sie weiterhin Muttermilch trinken konnte.

Unser zweites Kind stillte ich ca. ein Jahr lang voll und ungefähr ein weiteres Jahr bis zum Versiegen der Muttermilch aufgrund meiner dritten Schwangerschaft. Es ist normalgewichtig, ebenso gesund wie das Erste und ein „guter Esser“. Das lange „Vollstillen“ hat sich bei uns bewährt.

Ich erntete stets nur positive Reaktionen Fremder, wenn ich mit meinem großen Stillkind „Mumi to go“ praktizierte. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir im Osten wohnen, wo viele Menschen mit der Freikörperkultur in der DDR großgeworden sind, und wo es normal ist, sich splitterfasernackt in die Sauna zu setzen.

Je älter ein Kind ist, das noch stillt, desto kritischer wird das Umfeld, obwohl der weltweite Durchschnitt, wenn man die „Entwicklungsländer“ hinzunimmt, bei einer Stilldauer von vier Jahren liegt. In der Regel stillen kleine Kinder noch bis zum Alter von zwei bis drei Jahren, solange die Brust Milch gibt. Der Sauginstinkt verebbt bei den meisten Kindern erst mit fünf bis sieben Jahren. In dieser Zeit werden Kinder oftmals mit dem Schnuller als „Brustersatz“ vertraut gemacht. Die Folge: Kiefer- und Gebissfehlentwicklungen.

Die größte Zeit der Menschheitsgeschichte war das Stillen (auch öffentlich) gang und gäbe. Denn industriell hergestellte „Babymilch“ gab es nicht und die alltägliche Arbeit musste trotzdem verrichtet werden.

Unidentified woman breastfeeding a baby, ca. 1860

Unidentified woman breastfeeding a baby, ca. 1860 (By Schlesinger Library, RIAS, Harvard University [No restrictions], via Wikimedia Commons)

Heutzutage ist das Stillen in der Öffentlichkeit für einzelne Mitmenschen kein gewohnter Anblick. Es stößt ihnen unangenehm auf, obwohl Frau ihre Brüste nie zuvor freizügiger zur Schau stellte. Manch eine erreicht mit ihrem entblößten Vorbau über Fernsehen, Internet oder Werbung Millionen schaubegieriger Betrachter, die die weibliche Brust sexualisieren. Es kursiert das Gerücht, dass sich in erster Linie die Männer von sexy Brüsten angezogen fühlen, die selbst in ihrer Kindheit nicht oder nicht lange gestillt worden sind.

Bei anderen Säugetieren finden die Menschen das Stillen in der Öffentlichkeit „süß“.

stillendes Nashorn

In der Öffentlichkeit stillendes Nashorn (by Ted, CC BY-SA 2.0, Quelle, Änderungen am Bild: Größe, Farbgebung)

Doch das Stillen eines Babys oder Kleinkinds zu Nahrungszwecken, zum Trostspenden und zur Stärkung der Mutter-Kind-Bindung soll schlimm sein? Nein! Das Stillen ist ganz normal und gehört dazu. Es geht überall: Auf Reisen, bei Freunden, auf Ausflügen, bei Vorträgen und Ausstellungen, beim Wandern, Spazierengehen und Shoppen – und an jedem Ort wird sich das Kind zuhause und geborgen fühlen.

Christian Charity by Il Guercino

Christian Charity by Il Guercino (Public Domain, Quelle)

Vom Großteil des Volkes wird das Stillen in der Öffentlichkeit glücklicherweise akzeptiert. Und es gibt auch keine gesetzliche Regelung, die es untersagt. Im Gegenteil: Stillen in der Öffentlichkeit wird „staatlich gefördert“!

Für uns Frauen muss es selbstverständlich sein, dort zu stillen, wo andere essen!

6. Botschaft 3: Gesundheitliche Vorteile des Stillens

Nicht nur wegen des Säuglingspflegeunterrichts setzte ich mich mit dem Stillen auseinander. Die gesundheitlichen Fakten gingen mir bereits im Alter von sechzehn Jahren in Fleisch und Blut über. Muttermilch ist die hygienischste, praktischste und gesündeste Säuglingsnahrung.

Mir kam es nie so vor, dass meine Kinder nur nach meiner Brust verlangten, damit ich ihnen Trost spende. Das Stillen ist bei Säugetieren ein wesentlicher Bestandteil des Fortpflanzungsprozesses und die gesundheitlichen Vorteile gelten als allgemein bekannt. In Ländern mit geringen hygienischen Standards ist das Stillen lebensnotwendig, da Säuglingsnahrung nicht hinreichend sauber zubereitet werden kann.

Auch vegane Kinder, für die es auf dem deutschen Markt keinen adäquaten Ersatz zur Muttermilch gibt, sind auf das Stillen angewiesen um sie vor einem solchen Schicksal zu bewahren. Ein Hinweis für vegan lebende Mütter, die ihre Kinder nicht stillen können oder wollen: Im englischsprachigen Raum gibt es vollwertige, pflanzliche Babynahrung.

6.1 Stillen ist gesund…

6.1.1 für die Mama

Meine Gebärmutter bildete sich nach der zweiten Schwangerschaft durch das Stillen meiner beiden Kinder schnell zurück. Bereits einen Tag nach der Geburt schrumpfte sie bis auf die Größe einer Birne. Das Tandemstillen sorgte zudem für einen zügigeren, aber sanfteren Milcheinschuss nach zwei Tagen.

Tandemstillen

Tandemstillen – „Caritas“ by Francesco Gessi (Public Domain, Quelle)

Das Stillen erleichtert die Gewichtabnahme, da durch die Milchproduktion und den Stillvorgang selbst zwischen 400 und 600 zusätzliche Kilokalorien verbrannt werden (vielleicht überzeugt das den einen oder anderen Mann, seine Frau ungehindert stillen zu lassen ;-) ). So ist es halb so wild, wenn wir in der Schwangerschaft etwas pummeliger wirken.

Das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs sowie Osteoporose wird durch das Stillen reduziert. Da das Saugen des Kindes die Zellen in den Milchgängen verändert und sie widerstandsfähiger gegen Karzinome werden lässt, hat Brustkrebs kaum Chancen.

Stillen fördert die Wundheilung. Das Stillhormon „Prolactin“ lässt die Anzahl der zirkulierenden Immunzellen um bis zu 30 % steigen. Oxytocin, das die Milchbildung unterstützt, reduziert die Stresshormone. Auf die beruhigenden Auswirkungen des Stillens gehe ich in Punkt 6.3 genauer ein.

6.1.2 für das Kind

Bei gestillten Babys wurden weniger Allergien, Infektionen und Magenverstimmungen festgestellt.

Das durch die Gene bestimmte Mikrobiom der Mutter geht durchs Stillen auf das Kind übe. Die Antikörper der Mutter stärken das Immunsystem des Kindes und schützen vor Erkrankungen. Das wird allgemein als „Nestschutz“ bezeichnet.

Das ist insbesondere deshalb interessant, weil das Immunsystem von Babys im ersten Jahr nach der Geburt absichtlich auf Sparflamme arbeitet. Bei unseren gestillten Kindern konnten wir, auch lange Zeit nach Beikosteinführung, keine Infekte oder Erkältungen jeglicher Art feststellen.

Die naturgemäße Ernährung mit menschlicher Muttermilch verringert die Säuglingssterblichkeit, das Risiko für Neurodermitis (Infos hier und hier), Asthma bronchiale und viele andere Krankheiten.

Das Stillen fördert die Sprachentwicklung und die Intelligenz des Kindes.

6.1.3 für beide

Niedrigere Blutfettwerte und höhere Adiponection-Spiegel senken das Risiko bei Mutter und Kind, an Diabetes Typ 1 und 2 zu erkranken. Adiponection spielt eine Rolle im Fett- und Zuckerstoffwechsel und verbessert die Insulinempfindlichkeit der Körperzellen.

6.2 Muttermilch – das beste „Fast Food“ der Welt

Der Babynahrungslobby werden diese Informationen nicht gefallen, denn alle lebenswichtigen Nährstoffe sind in der Muttermilch in genau der Menge und Zusammensetzung vorhanden, wie es das Baby gemäß seinem Entwicklungsstand braucht. Es steht dem Kind wohltemperiert und keimfrei zur Verfügung und reicht i.d.R. bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Baby von sich aus mitisst, als einzige Nahrungs- und Flüssigkeitsquelle aus.

Durch die Vielzahl von Vitaminen, Mineralstoffen, Enzymen, Hormonen (auch Schlafhormone gibt es zur rechten Zeit) und Abwehrstoffen ergibt Muttermilch ein vollwertiges Lebensmittel, das industriell nicht herzustellen ist. Der Hebammenverband erstellte eine übersichtliche PDF-Datei, in der er Muttermilch und industriell hergestellte Säuglingsnahrung gegenüberstellt: Link zum Dokument

Da Muttermilch die perfekte, natürliche Nahrung für das Baby darstellt, verursacht sie keine Verdauungsprobleme.

6.3 Stillen ist Liebe

Das Stillen ab der ersten Stunde legt die Grundlagen für die Gefühlsentwicklung eines Kindes. Zusammen mit dem Hautkontakt wirkt es sich positiv auf die Mutter-Kind-Beziehung aus. Durch den Blickkontakt fühlt sich das Baby mit seiner Mutter verschmolzen.

Stillen macht glücklich.

Stillen macht glücklich.

Wenn das Baby an der Brust saugt, gelangen Stillhormone aus dem Gehirn der Mama ins Blut, die Milch beginnt zu fließen und die Mutter kann entspannen. Die verstärkte Ausschüttung von Glückshormonen fördert das Wohlbefinden und wirkt so gegen den Baby-Blues und postnatale Depressionen.

Die Wohlfühlhormone helfen, in die Mutterrolle zu finden und mit spärlich Schlaf auszukommen. Sie lindern Schmerzen, und Ängste, senken den Blutdruck und verhelfen zu mehr Gelassenheit. Auch ich empfinde beim Stillen wohltuende Ruhe.

Solltest Du unter einem stressbedingten Milchstau leiden, zeige ich Dir in Punkt 8, den Tipps zum Stillen, wie Du Deine Milch, und mit ihr die Glückshormone, zum Fließen bringen kannst.

6.4 Für Mutter und Kind nur das Beste!

In meinem ersten Rückbildungskurs lernte ich eine rauchende Mutter kennen, die ihr Kind bewusst nicht stillte und nach der Geburt des dritten Kindes sogar keinen Milcheinschuss mehr hatte. Alkohol, Tabakrauch und Medikamente können immense Schäden beim Stillkind anrichten. Informationen findest Du hier.

In Untersuchungen fanden Forscher gesundheitsschädliche Chemikalien, z.B. Flammschutzmittel, das vorwiegend durch tierische Produkte in den menschlichen Körper gelangt. Der Gehalt solcher Chemikalien ist seit Jahren rückläufig und die gefundenen Mengen so niedrig, dass der BfR kein Risiko sieht.

Die Zukunft unserer Kinder gestalten wir mit unserer Lebensweise in der Gegenwart. Unterstützen wir mit unserem Konsum eine Industrie, die giftige Chemikalien einsetzt, bekommen wir hierfür früher oder später die Rechnung. Die Leidtragenden sind unsere Kinder.

Pflanzenschutzmittel, welche die Pflanzen vor Schadorganismen schützen und dadurch die Ernteerträge erhöhen sollen, gelangen mit dem Essen der stillenden Mutter in die Muttermilch und damit ins Kind. Wie Du das vermeiden kannst, verrät Dir z.B. die Verbraucherzentrale Niedersachsen.

Dasselbe gilt für tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch und Fisch, die potentiell mit Antibiotika und antibiotikaresistenten Keimen, Hormonen bzw. Chemikalien wie Quecksilber belastet sind.

Weitere Informationen zur wundersamen Muttermilch findest Du hier.

7. Stillen in der Öffentlichkeit: aktiv gegen Diskriminierung

Stillen ist normal, egal unter welchen Umständen – und unabhängig von dem, was „die anderen“ sagen! Neben diesem Selbstverständnis, dem Auftreten der Mütter und der Wissensvermittlung über die vielfältigen, positiven Facetten des Stillens bereits in der Schwangerschaft gibt es immer wieder Aktionen zur Förderung von mehr Akzeptanz des öffentlichen Stillens.

So wurden z.B. Stickerkampagnen in den Niederlanden, Großbritannien, Irland und Australien gestartet, mit denen sich z.B. Cafés, Friseurläden und Bibliotheken als stillfreundliche, öffentliche Orte kennzeichnen.

Mir war das Stillen bisher nur unangenehm, wenn unerwartet ein älteres, fremdes Kind meine Brust vor seinen Eltern auspackt, um zu schauen, ob da „noch eine Zweite ist“, und wenn ich brustfixierten Männern gegenübersitzen muss. Für Frauen, die unabhängig von der öffentlichen Akzeptanz in Ruhe und Geborgenheit stillen wollen, wünscht das BfR die Einführung einer „Still-App“ sowie eines Bildzeichens zum Auffinden von Stillräumen wie in der Schweiz.

Symbol für Stillorte

Bildzeichen für Stillorte

Leilani Rogers initialisierte das Public Breastfeeding Awareness Project. Das ist ein Zusammenschluss von Fotografen rund um den Globus, die es sich zum Ziel setzen, ein Bewusstsein für das Recht der Mütter auf das Stillen in der Öffentlichkeit zu schaffen. Getreu dem Motto: „Je öfter Du etwas siehst, umso normaler wird es.“




Die Plakatserie „When nurture calls“ prangert das entwürdigende Stillen auf öffentlichen Toiletten an, was stillenden Mamas zuweilen ans Herz gelegt wurde. Würdest Du auf der Toilette speisen?

Die junge Britin Emily Slough wurde 2014 heimlich beim öffentlichen Stillen ihres Babys fotografiert. Das Foto landete mit der Bildunterschrift „Tramp“ auf Facebook. Sie ließ sich nicht diskriminieren, stellte das Bild kurzerhand selbst auf ihre Facebookseite und rief zum Protest auf. Bei dieser „Nurse-In-Kampagne“ folgten tausende Frauen in Großbritannien ihrem Aufruf und stillten demonstrativ öffentlich.

Das blaue Monster Facebook lehnte Stillbilder noch bis Mitte 2014 ab. Nach ausgeweiteten Protestaktionen änderte man im Konzern plötzlich seine Meinung. Von nun an sähe man im Stillen „etwas Natürliches und Schönes“.

Unter dem Hashtag #brelfie posten Frauen Selfies von sich und ihrem stillenden Nachwuchs, um die Akzeptanz für das Stillen in der Öffentlichkeit zu fördern.

Ivette Ivens zeigt auf ihrer Homepage wunderschöne Fotografien stillender Mütter.

All diese Aktionen sollen der Darstellung von Negativbeispielen in den Medien und der Diskriminierung von Frauen, die öffentlich stillten, entgegentreten.

8. Tipps zum Stillen

8.1 Stillprobleme

Andere Maßnahmen, als meine Brustwarzen hin und wieder mit Bürstenmassagen (und selbst das ist unnötig, wie Du im Video am Ende dieses Punktes erfährst) auf die Stillzeit vorzubereiten, ergriff ich nicht. Ich hatte Glück, dass das Stillen bei mir so gut wie komplikationslos blieb.

Probleme beim Stillen treten vor allem durch die Krankenhausroutine, die für Etablierung einer funktionierenden Stillbeziehung schädlich ist, auf. Eine Nachsorgehebamme ist während der gesamten Stillzeit für Dich da, wenn Du Probleme beim Stillen hast.

Nach dem Milcheinschuss zeigte mir meine Hebamme das Anlegen in stützender C-Form.

Stillen in stützender C-Form

Stillen in stützender C-Form

Im Wochenbett zeigte mir eine Familienhebamme eine tolle Übung, um einen Milchstau zu lösen:

Übung zum Lösen eines Milchstaus

Übung zum Lösen eines Milchstaus

Hilfreich bei meinem ersten Stillkind waren Brustmassagen, Ausstreichen und warmes Duschen, um die Überproduktion meiner Muttermilch drosseln. Brustwarzensalbe oder Olivenöl, kühlende Kohlblätter oder Stilltee hatte ich zum Glück nie nötig. Nach der Geburt unseres zweiten Töchterchens half mir meine damals Zweijährige dadurch, dass sie, als ich sie nachts darum bat, die prallgefüllte Brust „abtrank“.

Manche Babys lassen sich besser stillen, wenn sie auf dem Bauch der Mama liegen als in Seitenlage. Unsere Frischlinge ließen sich am Besten im Arm liegend stillen, während ich saß. So verschluckten sie sich nicht so schnell. Nach ein bis zwei Wochen ließen sie auch andere Stillpositionen zu.

Um wunde Brustwarzen und Schmerzen zu vermeiden, sollte Dein Kind so viel Brust wie möglich zum Saugen in den Mund bekommen, sodass die Brustwarze tief im Mund liegt.

Wenn ich stille, überkommt mich ein unbändiger Durst. Deswegen finde ich es ratsam, immer etwas zu trinken dabeizuhaben.

Mit saugfähigen Stilleinlagen oder einem einfachen Windeltuch verhindere ich, dass die beim Stillen nicht genutzte Brust sich in mein Oberteil ergießt. Stilleinlagen und Windetuch erweisen sich auch in den Fällen als nützlich, in denen mein Körper füttern will, auch wenn das Kind gerade keinen Hunger verspürt. Oder wenn ein fremdes Kind am Nachbartisch weint. Mit zwei Stillkindern hatte ich Stilleinlagen nicht mehr nötig. Die Brust schien sich perfekt an das neue Stillen anzupassen und lief nicht mehr unvermittelt aus, wie ich es bei nur einem Stillkind erlebte.

Hier ein Video des Babyclubs über die häufigsten Stillprobleme, und was man dagegen tun kann:




8.2 Ratschläge fürs Stillen in der Öffentlichkeit

Die ersten Ausflüge ins Stillcafé, zum Rückbildungskurs, zum Mutter-Kind-Treff oder zu anderen Orten, wo das Stillen ausdrücklich erlaubt und erwünscht ist, eignen sich, um das Stillen in der Öffentlichkeit zu üben.

Gemeinsam mit anderen Müttern unterwegs zu stillen, gibt der Stillenden ein zusätzliches Sicherheitsgefühl.

Um diskret und bequem zu stillen, wurden Still-BHs und Stillkleidung erfunden. Aufknöpfbare Oberteile und ein sauberes Windeltuch als Blickschutz finde ich ebenso zweckmäßig.

Wenn Du Dein Kind im Tragetuch trägst, fällt es gar nicht auf, wenn Du es stillst. Vor gaffenden Männern bist Du damit geschützt.

Es kursieren auch Tipps für Frauen, die gar nicht in der Öffentlichkeit stillen und trotzdem nicht auf die Vorteile der Muttermilch verzichten wollen, z.B. das für viele Frauen unangenehme Abpumpen der Milch, das man erst zuhause üben muss. Oder das Stillen, bevor man das Haus verlässt, wobei man auf diese Weise keine Position gegen die Diskriminierung von uns Frauen bezieht.

Willst Du schnellstmöglich wieder arbeiten gehen, gibt es im Mutterschutzgesetz (MuSchG) im Paragraph 7 Regelungen zum Stillen, die Dir und Deinem Kind Stillmahlzeiten garantieren.

Die Entscheidung, ob, wann und wo sie ihr Kind stillt, liegt allein bei der Mutter. Sie sollte nur an sich und ihr Baby denken! Bedenke: Kultur, Religion und Tradition sind dynamisch; Lebensstile ändern sich. Wir stillenden Mütter haben es in der Hand, ob wir uns diskriminieren lassen. Oder ob wir auf die Signale unserer Babys achten, sie stillen, wann immer es nötig ist, und der Anblick öffentlich stillender Frauen somit zur Normalität wird.

Bei den arabischen Familien, mit denen wir arbeiten, verursachten wir bisher noch kein „Fremdschämen“, wenn ich mein jüngeres Töchterchen stillte. Eine Freundin aus Syrien entschied sich, ihr vor Kurzem in Deutschland geborenes Kind, als erstes von fünf Kindern, zu stillen.

9. Über den Umgang mit der Gesellschaft.

Was ist Dir wichtiger? Dein Kind oder die Gesellschaft? Das Kindeswohl steht für mich über einzelnen, sich „belästigt“ fühlenden Menschen.

Beim Stillen in der Öffentlichkeit treffen Freiheitsbedürfnisse auf Schamgrenzen, wobei Scham meiner Meinung nach beim Stillen unangebracht ist. Wir sind Säugetiere und unsere Kinder auf die Muttermilch und die Befriedigung ihrer Bedürfnisse angewiesen.

Das BfR stellt klar, dass Menschen, die dem Stillen in der Öffentlichkeit ablehnend gegenüberstehen, in der Minderheit sind. Wenn dieser Minderheit der Anblick stillender Mütter missfällt, sollen sie doch ihr Ego im Zaum halten und wegschauen!

Leider sind gerade solche Menschen, die immer gegen etwas sind – etwas ablehnen – ganz besonders energisch und laut, wenn es darum geht, ihre unerwünschten, menschenverachtenden und diskriminierenden Ansichten in die Welt zu tragen. Man kennt das auch aus anderen Bereichen.

In der Gesellschaft laufen viele Dinge falsch. Überlasse nicht den Idioten das Feld! Stehe für Deine Rechte ein und mache es wie die Mutter, die im Restaurant von einer Angestellten darauf aufmerksam gemacht wurde, dass das Stillen die Gäste störe: Sie stand auf und fragte laut, wer sich denn belästigt fühle. Sie erhielt darauf – wie sollte es anders sein, keine Antwort.

Niemand ist gezwungen hinzuschauen, wenn eine Mutter ihr Kind stillt. Wenn die Leute bei anderen Dingen, den Ungerechtigkeiten, den Missständen und dem Grauen auf diesem Planeten nur so genau hinschauen würden!

Ich bin allen Menschen dankbar, die im Stillen – auch größerer Kinder – etwas vollkommen Natürliches und Schönes sehen! Und ich bin froh eine tolle Hebamme, eine vorbildhafte Großmutter, Mutter und Schwester, langzeitstillende Freundinnen, einen stillfreundlich eingestellten Partner und gute Lektüre zu haben, die mir zur rechten Zeit in die Hände fiel.

Fragen zum Stillen? Hier gibt’s Antworten:
https://www.still-lexikon.de
http://lalecheliga.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Stillen

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