Hey ihr!

Ich will, dass ihr jetzt den Artikel hier lest. Und ich hoffe, ihr kapiert, was ich mit meinem Text sagen will. Denn dann solltet ihr all das bei euch umsetzen. Ihr werdet schon sehen, dass ich damit Recht habe.

Moment! Denkt ihr vielleicht gerade, ich spinne? Seit wann spreche ich meine Leserschaft denn so an? Keine Bange, in diesem Ton geht es nicht weiter. Im Gegenteil: Es geht darum, wie wir vor allem in unseren Familien mit unseren Mädchen und Jungen sprechen. Frei von Bevormundungen, Kleinmacherei und Gewalt.

Anzeige

Zusammenfassung
Zusammenfassung des Artikels: Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist eine Methode, die von Marshall Rosenberg entwickelt wurde, um Konflikte ohne Gewalt zu lösen und echte Bindungen zu schaffen. Im Familienalltag hilft GFK, die Gefühle und Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und friedliche Lösungen zu finden. Der Artikel stellt die vier Schritte der GFK vor – Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte – und zeigt anhand von Beispielen, wie man diese im Umgang mit Kindern einsetzen kann, um Konflikte zu lösen und eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Langfristig führt GFK zu einer Atmosphäre, in der sich Kinder sicher und gesehen fühlen.

Pfarrers Kinder, Müllers Vieh – geraten selten oder nie

Es ist noch nicht mal eine Woche her, als die Nachbarn kräftig ihre Tür zuknallten. Zurecht. Unsere Jungs übertrieben es im Garten ganz schön arg mit ihrer Lautstärke. In den ungünstigsten Zeiten macht dem Nachwuchs Streit und Krawall anscheinend besonderen Spaß.

Ich packte die Koffer für unseren nächsten Step im Ausland. Und Patrick bastelte an der Website einer Kundin. Nebenbei organisierten wir am Telefon Termine und Besorgungen für Geburtstage und die frisch ausgebaute Ferienwohnung.

„Du hast angefangen, du Blödmann!“, und „Gar nicht wahr, immer willst du bestimmen, weil du ein A-Loch bist!“, hallte es währenddessen vom Trampolin nach oben in unsere Wohnung.

In solchen Momenten ist es sinnlos, ihnen vom Balkon aus Predigten über friedliche Konfliktlösung zu halten. Zum Glück bin ich keine Pastorin. Aber von Leuten wie mir, die mit „Beziehung-statt-Erziehungs-Parolen“ prahlen, könnte man erwarten, dass ihre Sprösslinge ein paar liebreizendere Kraftausdrücke benutzen.

GFK ist mehr als Stuhlkreis-Gelaber

Sozialarbeiter*innen werden gern verhöhnt. Jaaa, wir kennen alle die ach so lustigen Witze, oder? Nein? Hier ist einer:

Kommen zwei Sozialpädagogen nachts aus der Kneipe und sehen jemanden blutüberströmt, zusammengeschlagen auf dem Bürgersteig liegen. Sagt der eine Sozialpädagoge zum anderen: „Du, der das gemacht hat, dem müssen wir unbedingt helfen!“

Wie auch immer man zu ihnen oder einem Sozialpädagogik-Studium stehen mag: Die meisten können tatsächlich so kommunizieren, dass sich ihr Gegenüber nicht auf den Schlips getreten fühlt. Das liegt nicht daran, dass sie im Stuhlkreis sitzend bei einem Joint Gefühle vortanzen. Der „Trick“ liegt an der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg.

Was ist GFK?

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) kann man so erklären: Sie wurde von Marshall Rosenberg entwickelt, damit Menschen besser miteinander klarkommen und Konflikte lösen können. Rosenberg hat bemerkt, dass viele Streitigkeiten daher entstehen, weil Menschen oft falsch verstanden werden und Worte verletzend wirken können. Mit der GFK lernt man, ehrlich zu sagen, was man braucht, und gleichzeitig den anderen zu verstehen – ohne dass jemand Schuld zugewiesen bekommt oder Macht ausgeübt wird. Das Ziel ist es, Beziehungen zu schaffen, in denen beide Seiten auf Augenhöhe sind, jeder seine Bedürfnisse ausdrücken darf und sich respektiert fühlt.

Gewaltfreie Kommunikation macht bei Gemeinschaftsspielen wie hier mit dem Schwungtuch besonders viel Spaß.

Befehle bei Gemeinschaftsspielen vermeiden – für manche eine Kunst. Allerdings macht’s dann auch mit höflichen Einladungen statt Aufforderungen mehr Spaß.

Empathie als Kernstück der GFK

Marshall Rosenberg hat immer wieder betont, dass GFK mehr ist als eine Technik. Es geht darum, „wirklich“ mit sich selbst und anderen in Kontakt zu treten. Empathisches Zuhören spielt dabei eine wichtige Rolle. Wenn wir uns von moralischen Urteilen lösen und auf die Gefühle und Bedürfnisse des anderen konzentrieren, können wir Missverständnisse vermeiden und echte Bindungen aufbauen.

Diese Haltung hilft besonders, wenn wir mit Kindern arbeiten. Die jungen Menschen drücken ihre Gefühle oft indirekt aus, zum Beispiel durch Wut, Rückzug oder Trotz. Wenn wir als Eltern die GFK nutzen, um hinter diesen Reaktionen die wahren Bedürfnisse zu erkennen, können wir unsere Kinder besser verstehen und unterstützen. GFK schafft eine vertrauensvolle Basis, auf der auch die Kinder lernen, Konflikte friedlich zu lösen und sich verstanden zu fühlen.

Konflikte als Chance zur Verbindung

In der GFK sehen wir Konflikte nicht als lästige Unterbrechung dessen, was auch immer wir gerade tun. Glaubt mir, ich weiß sehr genau, dass insbesondere im Familienalltag oft viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen sind.

Vielmehr ist die GFK eine Chance, mehr über die Bedürfnisse aller Beteiligten zu erfahren. Bei unseren Kindern, die altersmäßig „nah beieinander liegen“ kommt es erfahrungsgemäß leicht zum Streit. Hier hilft die GFK den jungen Menschen, ihre Gefühle auszudrücken und gemeinsam Lösungen zu finden, die für alle in Ordnung sind.

Marshall Rosenberg betonte, dass es nicht ausreicht, einfach nur Gefühle und Bedürfnisse zu benennen. Es braucht eine Grundhaltung der Empathie. Sich wirklich auf das Erleben des anderen einzulassen, macht den Unterschied.

Die vier Schritte der GFK

Marshall Rosenberg hat die GFK in vier einfache Schritte unterteilt. Mit denen können wir eigene Gefühle und Bedürfnisse klar ausdrücken, ohne andere anzugreifen.

1. Beobachtung

Beschreibe, was du siehst oder erlebst, ohne Bewertung. Zum Beispiel: „Ich höre, dass ihr euch streitet“ statt „Ihr seid schon wieder so laut!“

Zap some sats our way – it's all about value for value!

Unterstütze uns via Bitcoin Lightning Network mit ein paar sats direkt an: [email protected]

Oder via Paypal-Zuwendung an: [email protected]

2. Gefühle

Sage, wie du dich fühlst. Gefühle sind wichtig, um die Situation zu verdeutlichen. Zum Beispiel: „Das macht mich gestresst.“

3. Bedürfnisse

Benenne, welches Bedürfnis hinter deinem Gefühl steht. Zum Beispiel: „Ich brauche etwas Ruhe, um mich konzentrieren zu können.“

4. Bitte

Stelle eine konkrete, positive Bitte, die das Problem lösen könnte. Zum Beispiel: „Könnt ihr bitte etwas leiser spielen oder drinnen weitermachen?“

Diese Schritte helfen, Missverständnisse zu vermeiden und gemeinsam einen Streit zu klären.

Wie GFK Kindern hilft, Konflikte selbst zu lösen

Wie lässt sich GFK konkret im Alltag umsetzen? Schauen wir uns ein paar typische Familiensituationen an:

Beispiel 1: Das Spielzeugproblem

Zwei Jungs streiten um einen Spielzeugteddy.

Zwei Geschwister streiten sich um ein Spielzeug. Der eine schreit, der andere zieht am Spielzeug. Statt einzuschreiten und die Schuldfrage zu klären, könnte man sagen: „Ich sehe, dass ihr euch beide um das Spielzeug streitet. Es scheint mir, als ob es für euch beide gerade sehr wichtig ist und ihr beide damit spielen wollt (Gefühle und Bedürfnisse benennen).“ Danach könnten wir fragen: „Wie fühlt ihr euch damit?“ und „Was braucht ihr gerade, damit ihr beide zufrieden seid?“

Diese Fragen öffnen den Raum für die Kinder, ihre Sichtweise zu schildern und sich gegenseitig besser zu verstehen. Sie lernen so, dass es nicht darum geht, Schuld zuzuweisen, sondern gemeinsam Lösungen zu finden, die alle zufriedenstellen. Wenn die Kinder noch sehr jung sind, könnt ihr als Mama oder Papa eine Lösung vorgeben, indem ihr sagt: „Vielleicht können wir eine Lösung finden, bei der jeder von euch es eine Zeit lang haben kann. Was haltet ihr davon?“

Beispiel 2: Kein Hunger

Ein Kind will nicht essen, obwohl es Essenszeit ist. Statt „Du musst jetzt essen!“ könnte man sagen: „Ich sehe, dass du gerade nicht essen möchtest. Vielleicht bist du noch nicht hungrig. Ich möchte, dass du genug Energie für den Tag hast. Können wir uns darauf einigen, dass du wenigstens eine Kleinigkeit isst und den Rest später, wenn du hungrig bist?“ Hier wird dem Kind das Gefühl gegeben, dass es eine Wahl hat, während gleichzeitig das Bedürfnis der Eltern nach einer gesunden Ernährung des Kindes kommuniziert wird.

Beispiel 3: Aufgeräumt wird später

Das Kinderzimmer gleicht einem Schlachtfeld, und du möchtest, dass aufgeräumt wird. Statt zu schimpfen, könntest du sagen: „Ich sehe, dass das Zimmer ziemlich unordentlich ist. Mich stört das, weil ich finde, dass es schwer ist, hier etwas zu finden, wenn es so aussieht. Wollen wir zusammen aufräumen und danach eine Runde auf dem Trampolin hüpfen?“ Durch diese Art der Kommunikation wird das Kind eingeladen, mitzuhelfen, anstatt dass es sich zu einem Befehl gezwungen fühlt.

Der Einfluss von Strafen und die Alternative der Empathie

Strafen wirken oft nur kurzfristig. Langfristig gesehen, lassen sie das Vertrauen schwinden und das Selbstwertgefühl sinken. Besser als Strafen ist es, sich den zugrunde liegenden Bedürfnissen des Kindes zu widmen. Wir können sie ganz einfühlsam ansprechen.

Ein Kind, das weint oder trotzt, zeigt damit ein Bedürfnis – vielleicht nach Autonomie, Bindung oder Anerkennung. Wenn wir als Eltern bereit sind, uns zuzuwenden, schaffen wir Raum für Heilung und Verbundenheit.

Gewaltfreie Kommunikation in der Familie

Die langfristigen Vorteile der GFK

Durch den Einsatz der GFK schaffen wir eine Atmosphäre, in der sich Kinder sicher und gesehen fühlen. Wie Marshall Rosenberg schrieb, führt diese Art des miteinander Sprechens dazu, dass wir uns gegenseitig „von Herzen geben“ können. Das bedeutet auch, dass Kinder lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu benennen, aber gleichzeitig auch die Bedürfnisse anderer zu achten. Dies bildet die Grundlage für ein friedliches Miteinander – nicht nur in der Familie, sondern in allen Lebensbereichen.

Fazit: Lohnt sich die Arbeit?

Gewaltfreie Kommunikation in unseren Beziehungen einzusetzen, mag am Anfang ungewohnt wirken. Doch es lohnt sich – und zwar nicht nur in der Familie. Gestern sah ich den Erfolg meiner Mühen: Unsere beiden Söhne tobten wild auf dem Sofa. Es passierte, was bei Kindern passiert – der Jüngere fing an zu weinen, weil er einen Arm des älteren Bruders abbekommen hatte. Noch bevor ich eingriff, sagte der Ältere: „Oh, jetzt ist was schiefgegangen. Das hat dir wehgetan! Es wäre besser, es wäre nicht passiert. Wollen wir beide etwas langsamer hopsen, ja?“ In diesem Moment wusste ich, dass all das Gerede von mir als „Sozi-Mama“ doch Früchte trägt. Es war gut, dass ich immer wieder die Gefühle meiner Kinder benannt und ihnen gezeigt habe, wie man miteinander spricht.

Evelin und Patrick von freeyourfamily - Gewaltfrei kommunizieren auch als Paar

Im Idealfall können wir Eltern vorleben, wie GFK funktioniert.

Geschwister streiten – und das ist auch wichtig. Denn sie lernen dabei, wie sie mit Konflikten umgehen können, und das nicht nur in ihrer Kindheit, sondern für ihr ganzes Leben. Wenn die GFK immer mehr Anhänger*innen findet, würden Kriege überflüssig. Davon bin ich überzeugt. Lasst uns anfangen, miteinander vernünftig zu kommunizieren. Vor allem mit unseren Kindern, denn sie haben es verdient!

Ich wünsche euch ordentlich Mut zu neuen Wegen für eine friedliche Kinder-Eltern-Beziehung!

Eure Evelin

CC BY-SA 4.0 Gewaltfreie Kommunikation in Familien von Free Your Family ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.